Der TCS spricht sich für ein differenziertes Geschwindigkeitsregime innerorts aus. Während auf siedlungsorientierten Strassen Tempo 30 und in Begegnungszonen auch Tempo 20 eingeführt werden kann, muss auf verkehrsorientierten Strassen weiterhin Tempo 50 gelten. Es ist wichtig, die Hierarchie des Straßennetzes zu respektieren und seine Funktionalität auf Schweizer Ebene zu gewährleisten. Diese Unterscheidung wird laut einer Umfrage des Link-Instituts von drei Vierteln der Schweizer Bevölkerung befürwortet. Der Informationsdienst für den öffentlichen Verkehr (LITRA), der Schweizerischer Feuerwehrverband (SFV) und der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) sprechen sich ebenfalls gegen die Generalisierung von Tempo 30 innerorts aus.
Im März 2001 hatte sich das Schweizer Volk klar gegen eine generelle Einführung von Tempo 30 innerorts ausgesprochen (79,7% dagegen, kein Kanton dafür). Eine kürzlich durchgeführte Umfrage zeigt, dass sich diese Haltung nicht geändert hat: 84% der Bevölkerung will am aktuell geltenden Geschwindigkeitsregime innerorts festhalten. Ein klarer Wille, der den vereinzelten Initiativen einiger Städte und Ortschaften zur generellen Einführung von Tempo 30 entgegensteht.
Tempo 30 kann zwar sowohl in Wohngebieten als auch auf dem siedlungsorientierten Strassennetz sinnvoll sein, doch muss unbedingt darauf geachtet werden, dass die Hierarchie des Strassennetzes eingehalten wird, führt Peter Goetschi, Zentralpräsident des TCS, an: "Jeder Strassentyp hat eine ganz bestimmte Funktion die respektiert werden muss, um die Funktionalität des gesamten Netzes zu gewährleisten." So muss auf verkehrsorientierten Strassen in städtischen Gebieten (Hauptstrassen, Verbindungsstrassen), von Ausnahmen abgesehen, eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h beibehalten werden. Die Behörden sollen die Möglichkeit haben, auf Sammel-, Versorgungs- und Quartierstrassen die Geschwindigkeit auf 30 km/h zu begrenzen, Tempo-30-Zonen einzurichten, oder auch 20 km/h in Begegnungszonen.
Dieser differenzierte Ansatz bei den innerörtlichen Geschwindigkeitsregimes gewährleistet die Funktionalität des Netzes als Ganzes. Er ist Garant für ein gutes Miteinander der verschiedenen Verkehrsmittel (privat und öffentlich) und wird dafür sorgen, dass jedes von ihnen attraktiv bleibt. Dies gilt auch für schnelle Elektrovelos (45 km/h), die durch eine allgemeine Beschränkung auf 30 km/h stark benachteiligt würden, und für Wohnviertel, die dadurch nicht unter der unvermeidlichen Verkehrsverlagerung bei einer Senkung des Tempolimits auf den Hauptachsen leiden müssen.
Die aktuell heterogene Entwicklung von Tempo 30 innerorts läuft einer harmonischen Entwicklung des öffentlichen Verkehrs zuwider. Für Martin Candinas, Präsident der LITRA, "wird eine allgemeine Einführung von Tempo 30 auf den Hauptachsen der Städte und Agglomerationen einen negativen Effekt auf die Nutzung des öffentlichen Verkehrs haben. Trams und Busse werden ihre Attraktivität für die Nutzer verlieren und dies wird eine Verlagerung auf andere Verkehrsmittel zur Folge haben."
Aus Sicht von Laurent Wehrli, Präsident des SFV, wird eine allgemeine Einführung von Tempo 30 in den Städten die Effizienz der Notdienste (Blaulicht) beeinträchtigen. "In unserem Beruf zählt jede Minute, um Leben zu retten, und eine allgemeine Einführung von Tempo 30 in Ortschaften wird unweigerlich unsere Einsatzzeit verlängern, insbesondere für freiwillige Feuerwehrleute oder zurückbeorderte Berufsfeuerwehrleute, die nicht über die vorrangigen Mittel verfügen, um zur Feuerwache zu gelangen. Das ist klar zum Nachteil der Opfer, die sich auf die Notdienste verlassen."
Das Leugnen der Notwendigkeit, Tempo 50 auf den Hauptverkehrsachsen beizubehalten, trägt zur Verschlechterung der Lieferbedingungen für lokale Geschäfte bei und benachteiligt kleine und mittlere Unternehmen in städtischen Gebieten, sagt Fabio Regazzi, Präsident des SGV: "Die Stadtbewohner vergessen manchmal, dass die von ihnen im Stadtzentrum gekauften Produkte und Dienstleistungen zum allergrössten Teil auf der Strasse transportiert werden und dass die Lieferzeit ein entscheidender Faktor bei der Festlegung des Endpreises ist. Eine allgemeine Einführung von Tempo 30 in Städten führt in Verbindung mit anderen Hindernissen wie dem massiven Abbau von Parkplätzen dazu, dass sich Geschäfte ausserhalb der Stadtzentren ansiedeln."
Umfrageergebnisse: Zwei Drittel der Bevölkerung wollen kein generelles Tempo 30
Um die Haltung der Bevölkerung zum Thema "Tempo innerorts" zu kennen, hat der TCS im Dezember 2021 das Institut LINK beauftragt, eine repräsentative Umfrage bei der Schweizer Bevölkerung durchzuführen.
Die Ergebnisse sind eindeutig: 68% der Schweizerinnen und Schweizer lehnen eine generelle Einführung von Tempo 30 innerorts ab. Die Ergebnisse zeigen keinen signifikanten Unterschied zwischen Stadt (68%) und Land (71%). Die Alternative, diese Beschränkung nur nachts einzuführen, findet ebenfalls keine Mehrheit; 55% der Bevölkerung lehnen diese Idee ab, nur 38% unterstützen sie und 8% äussern sich nicht. Auch in diesem Fall gibt es keinen signifikanten Unterschied zwischen Stadt (54% dagegen) und Land (57% dagegen).
Im Gegenteil, die Bevölkerung befürwortet die differenzierte, vom TCS vorgeschlagene, Lösung: Fast drei Viertel der Bevölkerung (73%) möchten, dass Tempo 30 nur auf siedlungsorientierten Strassen (z. B. Wohnvierteln) gilt. Sowohl Stadt als auch Land unterstützen diese Aussage mit 73%.
Die Umfrage zeigt auch die Befürchtungen der Bevölkerung hinsichtlich einer negativen Auswirkung auf den Verkehrsfluss (51%), während 25% das Gegenteil glauben und 8% angeben, nicht zu wissen, wie sich Tempo 30 auf den Verkehrsfluss auswirkt. Ein Stadt-Land-Graben ist in den Antworten nicht zu erkennen, da sowohl 51% der Befragten in den Städten als auch in den ländlichen Gebieten der Meinung sind, dass eine Geschwindigkeitsreduzierung den Verkehrsfluss beeinträchtigen würde. Bestätigt wird dies auch durch die Tatsache, dass die Bevölkerung mit überwältigender Mehrheit (84%) das derzeitige System unterstützt, welches eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h auf dem innerörtlichen Strassennetz vorsieht, während 30 km/h in der Ausnahme zur Anwendung kommt. Sowohl in den Städten (84%) als auch auf dem Land (87%) wird diese Einschätzung geteilt.
Ausserdem zeigt die Umfrage, dass drei Viertel der Schweizerinnen und Schweizer (73%) eine einheitliche Lösung für die Festlegung von Geschwindigkeitsbegrenzungen innerorts begrüssen würden. Nur 23% sind gegenteiliger Meinung und 5% äusserten sich nicht dazu. In diesem Punkt sind sich alle Sprachregionen einig: Deutschschweizer (72%), Westschweizer (73%) und Tessiner (75%), ohne dass sich ein wirklicher Unterschied zwischen Stadt (72%) und Land (73%) herauskristallisiert.
Beim Thema E-Bikes herrscht fast Einigkeit: 93% der Befragten gaben an, dass bei Einführung einer generellen Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h in städtischen Gebieten diese auch für schnelle E-Bikes (45 km/h) gelten sollte.
Darüber hinaus sind nur 6% der Befragten der Ansicht, dass sich eine allgemeine Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 km/h in städtischen Gebieten positiv auf die Reaktionsfähigkeit und Einsatzgeschwindigkeit der Rettungsdienste (Polizei, Feuerwehr, Krankenwagen) auswirken würde, während 70% glauben, dass sich diese Massnahme negativ auswirken würde. In der Westschweiz findet diese Annahme am meisten Anklang, denn 85% der Westschweizer sind davon überzeugt, dass generelles Tempo 30 den Rettungsdiensten schaden würde, gegenüber 65% der Deutschschweizer.
Auf die Frage, ob es derzeit genügend Tempo-30-Zonen in städtischen Gebieten gibt, antworteten 59% der Befragten, dass derzeit nicht genug davon bestehen. Vor allem Frauen (64%) und Landbewohner (66%) würden gerne mehr davon sehen. Weniger überzeugt sind die 30- bis 44-Jährigen (52%).
Die angegebenen Zahlen sind gerundet. Die genauen
Daten und Details der Umfrage werden auf Anfrage zur Verfügung gestellt.
Die Umfrage wurde vom Institut LINK im Auftrag des TCS zwischen dem 1. und 7. Dezember 2021 durchgeführt. Zu diesem Zweck nahm eine für die Schweizer Bevölkerung repräsentative Stichprobe von 1'163 Einwohnern im Alter zwischen 15 und 79 Jahren an der Umfrage teil. Um die Aussagekraft der Ergebnisse zu maximieren, wurden zwei spezifische Fragen (generelle Einführung Tempo 30, Einführung Tempo 30 auf Neben- und Quartierstrassen) kombiniert und mit einem Wahrheitswert gewichtet.