In einem faszinierenden Interview teilt Fredy Lienhard seine einzigartigen Erfahrungen und nimmt uns mit auf eine bemerkenswerte Reise durch seine Karriere im Motorsport.

Von bescheidenen Anfängen im Seifenkistensport bis zu seinem grössten Triumph im Jahr 2002, als er das legendäre 24-Stunden-Rennen von Daytona in der Grand-Am Sports Car Series gewann, verkörpert Fredy Lienhard den unermüdlichen Ehrgeiz, immer höher zu streben.

Doch seine Erfolge beschränken sich nicht nur auf die Rennstrecke. Im Jahr 2007 verwandelte er ein verlassenes Industrieareal der Gemeinde Romanshorn in die faszinierende «autobau erlebniswelt» (autobau.ch). Ein Ausdruck der Geschichte des Automobils und des Motorsports.

Simone Andrianello: Dein erstes Rennauto?
Fredy Lienhard: Mein erstes «Rennauto» war die Seifenkiste. Schon als Kind habe ich Kisten gebaut und 1959 dann die erste zum Rennen an der Wega in Weinfelden gefahren – 5. Rang. Das Foto hängt im autobau.

Dein erster Sieg?
Mein erster Sieg folgte dann im folgenden Jahr 1960 – wiederum an der Wega in Weinfelden und auf der neuen Seifenkiste, die schon mehr als eine «Kiste» war, denn die Verschalung hatten wir (ein Lista Mitarbeiter und ich) aus Aluminium gebaut. Damit war sie sehr stromlinienförmig und das hat mit zu den Siegen beigetragen. Denn im folgenden Jahr 1961 fuhr damit mein Bruder Jürg und gewann vor mir im 2. Rang. 1962 habe ich dann wieder gewonnen und damit auch meine Seifenkisten-Karriere abgeschlossen. Mittlerweile wurde ich ja 15 Jahre alt.

Fredy Lienhard (3. von links)

Dein grösster Erfolg?
Mein grösster Erfolg war sicher der Gewinn des Klassikers «24 Stunden Rennen in Daytona» Zusammen mit Joe Siffert bin ich bis jetzt der einige Schweizer, der dieses Rennen gewinnen konnte. Das war 2002.

Die drei wichtigsten Dinge, welche dir spontan einfallen?
Wichtig sind für mich: Integrität, Respekt vor Menschen und Umwelt, Toleranz und Grosszügigkeit.

Dein Lieblingsauto?
Mein Lieblingsauto ist das Auto schlechthin. Auf der Strasse ist das ein Porsche, auf der Rennstrecke ebenfalls plus natürlich die weiteren Sportprototypen March, Dallara, Ferrari und Lola mit denen ich von 1975 bis 2008 Rennen gefahren bin. Speziell erwähnen möchte ich den Formel V, den ich mit 3 Freunden selbst gebaut und 1969 gefahren habe.

Elektro oder Benzin?
Elektro oder Benzin möchte ich umdrehen und sagen: Benzin und Elektro. Es kommt immer auf die Anforderungen und Ansprüche an. Oft ist ein Benziner oder Diesel die richtige Antwort, manchmal aber auch Elektro (zum Beispiel in der Stadt oder auf kurzen Strecken).

Du hast in den 60er Jahren mit dem Rennsport begonnen und 1970 mit 22 Jahren die Firma Lista übernommen. Was war schwieriger und herausfordernder?
Beides verlangt vollen Einsatz, ja sogar Leidenschaft. Beides geht nur mit einem guten Team. Man muss einen starken Willen und vor allem auch Ausdauer haben. In beiden gibt es Hochs und Tiefs, die man nicht nur überwinden muss, sondern aus denen man auch viel lernen kann.

An welches Erlebnis aus deiner Seifenkistenzeit erinnerst du dich gerne zurück?
Als ich zum 10. Geburtstag (1957) von meinem Vater 4 original Opel Seifenkisten Räder bekam, mit denen ich dann die erste «richtige» Seifenkiste bauen konnte – erstes Rennen eben 1959.

Was war für dich während deiner aktiven Zeit im Seifenkistensport am wichtigsten?
Wichtig im Seifenkistensport waren die Kameradschaft mit Freunden und Gleichgesinnten.

Wie hast du es geschafft, alles unter einen Hut zu kriegen und bei allem so erfolgreich zu sein?
Es war ganz natürlich, beides hat sich gegenseitig ergänzt und verstärkt. Ohne das erfolgreiche Geschäft hätte ich nicht so lange fahren können und ohne die sportliche Erfahrung hätte ich die Herausforderungen im Geschäft weniger gut bestanden.

Du unterstützt nicht nur unseren Seifenkistensport, sondern auch den Kartsport. Was sind deine Beweggründe für diese Engagements?
Ich bin aus eigener Erfahrung überzeugt, dass das nicht nur eine gute Freizeit-Beschäftigung für die Jungen und ihre Familien ist, sondern auch eine gute Lebensschule. Was die Jungen beim Bau und beim Fahren der Seifenkisten lernen ist charakterbildend und eine Fähigkeit für die Zukunft, mit Geschwindigkeit umzugehen. Das ist wie eine Programmierung des Unterbewusstseins, welche in allen späteren Lebenslagen wertvoll ist – z.B. auch beim Fahren eines Autos auf der Strasse.

Beim Kartsport kommt einfach das Fahren im Pulk dazu und eine höhere Kraft und Geschwindigkeit. Man lernt so zu fahren, dass man auch ans Ziel kommt. Bis an die Grenze gehen aber nicht darüber hinaus.

Beide Sportarten gelten als Einstieg in den Rennsport. Siehst du auch weitere Vorteile in diesen beiden Sportarten?
Auf jeden Fall sind Seifenkistenrennen und vor allem Kart-Rennen eine gute und wichtige Voraussetzung in den aktiven Rennsport. Es ist mir immer wichtig gewesen, unten und einfach zu beginnen und dann sukzessive besser zu werden – von der Seifenkiste bis zum Formel Auto der höchsten Motorsport-Klasse.

Simone Andrianello und Fredy Lienhard

Fredy Lienhard unterstützt die IG Seifenkisten Derby Schweiz seit über 30 Jahre. Anfang der 90er Jahre übernahm er das Patronat mit seiner Firma Lista Office. Ab 2016 wurde es auf die Autobau, seinem Automuseum überschrieben. Ich bedanke mich herzlich bei dir für das tolle und spannende Gespräch. Einen grossen Dank auch von der IG für deine Unterstützung, denn ohne dich könnten wir unseren Sport nicht ausführen.