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Die neue Beulenpest

Stil im Verkehr mit Jeroen van Rooijen

 Mir fällt in letzter Zeit auf, dass manche sonst recht edle und gepflegte Autos extrem schlecht lesbare und verwitterte Nummernschilder haben. Oft passen der Zustand des Kontrollschildes und jener des Fahrzeugs – meistens PS-starke Luxusautos deutscher Herkunft – gar nicht zusammen. Das Schild sieht aus, als hätte der Wagen vor kurzem einen üblen Auffahrunfall erlitten oder sei schon gut vierzig Jahre im Verkehr unterwegs – doch das Auto an sich ist fast neu und schadlos. Irgendwie eigenartig. Meistens ist der reflektierende Lack um die Buchstaben und Zahlen abgeplatzt, sodass das Schild bei Dunkelheit nicht richtig lesbar ist.

Ich kann also nicht umhin zu vermuten, dass dies ein „Trend“ ist und die Besitzer dieser Autos absichtlich solche Nummern spazieren fahren. Dass die Halter dieser Fahrzeuge ihre Nummernschilder bewusst so herrichten, um damit Blitzer auszutricksen. Ich habe dazu online nicht viel gefunden, aber ich vermute, dass es mit etwas scharfer Lauge und einem Hammer nicht allzu schwer ist, das Kennzeichen so zu „optimieren“, dass es bei Lichteinfall nicht mehr richtig identifizierbar ist. Da gibt es sicher entsprechende „Tutorials“…

Wie auch immer es geht – man möchte aus vielerlei Gründen davon abraten. Zum ersten ist das Herumfahren mit einem schlecht leserlichen Kennzeichen strafbar und kann (je nach Kanton) mit 60 Franken gebüsst werden. Ein gut lesbares Nummernschild gehört zur Sorgfaltspflicht eines Fahrzeuglenkers. Wer Geld sparen will, tut also gut daran, in saubere und schadlose Nummernschilder zu investieren, sie kosten etwa 45 Franken. Es sei denn, man ist ein notorischer Schnellfahrer … dann kommt die Busse fürs schäbige Schild wahrscheinlich günstiger als jene für eine massive Geschwindigkeitsübertretung.

Der zweite Grund, warum man nicht mit verbeulten Nummernschilder herumfahren soll: Es ist saumässig hässlich. So ein Nummernschild ist kein Schmuck für ein edles Auto. Es sieht so aus, als hätte jemand mit einem an sich hübschen Gesicht einen Mund voll fleckiger, löchriger Zähne. Autos haben ja meistens ein „Gesicht“ (die Scheinwerfer sind die Augen) – man sollte also zusehen, dass dieses ein bisschen ansprechend lächelt. Das schuldet man sich und seinen Mitmenschen.

Und damit zum dritten Grund, warum man nicht mit beschädigten Nummern herumfahren sollte: Man gerät in Anbetracht der Häufung dieses Phänomens in den Verdacht, ein harter Egoist und Querulant zu sein. Es ist etwa, als würde man stets mit erhobenem Stinkefinger am Steuer sitzen. Macht man einfach nicht. Es ist so stillos und pubertär wie unflätige Aufkleber am Heck.

Im Netz gibt es zu diesem Thema übrigens einen interessanten „Espresso“-Beitrag von SRF. Darin sagt ein Fachmann vom Strassenverkehrsamt des Kantons Bern, „dass ein anständiges Nummernschild auch eine Visitenkarte ist“. Bingo! Also, ihr vermeintlichen Schlaumeier, auf zum Strassenverkehrsamt! Beschädigte Schilder ersetzen, hopp, hopp… Sieht besser aus und fühlt sich besser an. Und immer schön aufpassen mit dem Bleifuss.

Jeroen van Rooijen
Jeroen van Rooijen, 51, ist der bekannteste Stilkritiker und Modejournalist des Landes (NZZ, SRF3 etc.). Er fährt am liebsten Velo, aber auch Auto – und organisiert seit 2011 den jährlichen «Style Ride», eine urbane Lustfahrt für schöne Menschen und Velos.

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