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Stossfängergonaden

Stil im Verkehr mit Jeroen van Rooijen

Die Kastration ist eine ziemlich deftige Massnahme zur Empfängnisverhütung. Darum kommt sie immer mehr aus der Mode. Die entmannten Barocksänger mit der hellen Stimme gibt es nicht mehr, in der Kirche scharwenzeln keine Eunuchen mehr herum und auch in der Tierhaltung wird die Kastration immer öfter in Frage gestellt. Gut möglich, dass wir uns des Wortes eines Tages nur noch als Synonym erinnern, als Platzhalter für andere Formen des Beschränktwerdens oder Geschnittenseins. Im Verkehr etwa.

Jeroen van Rooijen

 So sprechen Freunde hubraumstarker Fahrzeuge im Zusammenhang mit kleineren «Downsizing»-Motoren, Dreizylindern etwa, gerne von «kastrierten Autos». Weil unter der grossen Motorhaube mehr Platz hätte, aber nicht mehr viel ist. Es ist auch zu lesen, dass Hersteller je nach Land ihre Motoren freiwillig begrenzen oder eben … sie wissen schon. Die, die so reden, sind dieselben Menschen, die sich mit jedem neuen Tempolimit und jedem Parkverbot in ihrer freien Triebentfaltung beschnitten fühlen. Die Vielfalt der Ge- und Verbote geht ihnen tatsächlich «auf die Eier».

Zur Kompensation dieser Verlustangst gibt es Mittel. Wer manchmal in ländlichen Gegenden (z.B. Ost- oder Innerschweiz) unterwegs ist, der wird sie vielleicht schon erspäht haben: Bumper Nuts. Auf Deutsch «Stossstangen-Hoden». Klingt wie ein schlechter Scherz? Ist aber sehr real. Googeln Sie mal. Dann finden Sie ebendiese Accessoires, die am Heck des Autos baumeln, vorzugsweise an Pick-ups. Sie sehen aus wie das, was bei einem kräftigen Stier zwischen den Hinterbeinen hängt.

Nun fragt man sich natürlich, wozu diese PKW-Gonaden gut sind. Ein funktionaler Nutzen ist nicht erkennbar, also muss der Zweck psychologischer Art sein. Man macht damit den Macker, signalisiert Manneskraft, markiert sein Territorium – typische Verhaltensmuster von Testosteron-Köpfen. Es kann auch nicht wundern, dass sich in den USA, wo dieses Accessoires zuerst eingeführt wurde, zwei Männer aufs Bitterste bekämpft haben, was die Erfindung der Vierrad-Klöten betrifft. Denn, man höre und staune, es geht um einen Markt, in dem sich Hunderttausende Dollars verdienen lässt.

Und die Geschichte ist an dieser Stelle noch nicht zu Ende. Wer glaubt, dass es sich bei dem lustig baumelnden Gehänge um eine geschmackliche Entgleisung der Amis handelt, die mit ihren Riesen-Autos sowieso nicht ganz bei Trost sind, der passe gut auf: Es gibt inzwischen Saddle Nuts für Radler, sie heissen «Bike Balls». Sie kosten rund zwanzig Franken und wenn man auf dem Sattel sitzt, so sieht es aus, als würden … Sie erraten es, als würden dem Fahrradfahrer die Testikel aus der Hose baumeln.

Anders als Bumper Nuts haben Bike Balls jedoch eine Funktion, die über das Provozieren und Schenkelklopfen hinaus reicht. Sie dienen als Rücklicht am Velo. Die Sattelhoden werden mittels eines Paars LED-Dioden «mit sanftem Druck» von innen beleuchtet und sorgen so für «mehr Sicherheit» im Strassenverkehr. Macht sie das erträglicher? Ich meine, nicht. Somit ist auch die Vorstellung widerlegt, dass Zweiradfahrer irgendwie «vernünftiger» als jene Verkehrsteilnehmer mit vier Rädern sind.

Bike Balls oder Bumper Nuts sind für Vollpfosten, denen man nichts sehnlicher wünscht, dass irgend ein Hindernis oder Missgeschick sie ihrer falschen Kronjuwelen beraubt. Zack, Sack ab. In diesem Falle schaue ich händeklatschend zu.

PS. Warum ist dieses Phänomen Thema einer Stilkolumne? Ganz einfach, weil man sich gelegentlich auch mit dem Gegenteil dessen, was einen antreibt, befassen sollte, um in der Balance zu bleiben. Der Gipfel der Eleganz schimmert am eindrucksvollsten, wenn man ihn vom tiefsten Tal aus betrachtet.

Jeroen van Rooijen
Jeroen van Rooijen, 51, ist der bekannteste Stilkritiker und Modejournalist des Landes (NZZ, SRF3 etc.). Er fährt am liebsten Velo, aber auch Auto – und organisiert seit 2011 den jährlichen «Style Ride», eine urbane Lustfahrt für schöne Menschen und Velos.
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