Stil im Verkehr mit Jeroen van Rooijen
Für diese Ausgabe wollen wir uns eines Gegenstandes annehmen, der Fingerspitzengefühl verlangt – es fegt um die delikate Frage, welche Automarken jene Menschen bevorzugen, die gerne forsch und zügig im Verkehr unterwegs sind. Zu diesem Thema gab es im April dieses Jahr eine Untersuchung des deutschen Marktforschungsinstituts Innofors, die recht eindeutige Ergebnisse lieferte.
Für die Recherche wurden gut 1000 Autofahrerinnen und Autofahrer in Deutschlang gefragt, welche Marken ihnen auffallen, wenn es um aggressives Verhalten im Strassenverkehr geht, also um Rasen, Vortritt abschneiden, Drängeln, Lichthupen und derartiges. Tausend Antworten liefern gemäss den Regeln der Marktforschung bereits ein «repräsentatives» Ergebnis, der Befund der Innofors darf also gemeinhin als gültig betrachtet werden.
Persönlich war ich bisher eher der Ansicht, dass aggressives Fahrverhalten nicht primär mit einer Marke, sondern mit dem Typus des Fahrzeuges zu tun hat. So fällt mir oft auf, dass sportliche getrimmte Kombis mit auffälligen Reifen – meistens schwarz! – eher rüpelhaft unterwegs sind, als «richtige» Sportwagen. Zudem glaubte ich, dass es eher auf Charaktere ankommt, also auf die Frage, ob ein Verkehrsteilnehmer mit seinem Fahrzeug ein individuelles Defizit kompensieren muss. Männer sind da nach meiner Beobachtung häufiger betroffen als Frauen. Aber offenbar ist es nicht so kompliziert. Es lässt sich ganz einfach an Marken festmachen.
Bevor wir also zum Ergebnis kommen, noch dieser kleine «Beifang» zur Umfrage: Es waren vor allem die jüngeren Teilnehmenden der Umfrage, die überdurchschnittlich davon überzeugt sind, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der Automarke und dem Fahrstil gibt: 94 Prozent der unter 30-jährigen meinen, dass sich aggressives Fahrverhalten bestimmten Automarken zuordnen lässt, bei älteren Menschen ist diese Überzeugung mit 83 Prozent nicht ganz so hoch, aber dennoch bemerkenswert. Noch etwas zur Methodik der Umfrage: die Teilnehmenden konnten bis zu drei Marken nennen, es gab also bestenfalls 3000 Einzelwerte oder 3000 Prozent.
Hier also die Ergebnisse! Die Top 5 der Nennungen betrifft ausschliesslich Marken, die aus unserem nördlichen Nachbarland kommen – deutsche Autos scheinen zu einem aggressiven Fahrverhalten zu animieren. Stolze 62 Prozent der Stimmen konnte ein weltbekannter bayerischer Hersteller von Autos einsammeln – alle Achtung! Das regelmässige Bashing, das dieser Marke in Boulevard-Medien zuteil wird, kommt also nicht unverdient.
44 Prozent gingen an einen Premium-Autobauer aus der Region Stuttgart – in der gleichen Ecke ist jene ikonische Sportwagenmarke ansässig, die weitere 37 Prozent der Stimmen bekam. Platz 4 belegt mein persönlicher Verdachtsfall aus Ingolstadt (35 Prozent der Nennungen), auf Platz 5 liegt mit 11 Prozent eine Marke aus Wolfsburg, die ich bezüglich dieses Themas nicht in der Top Ten vermutet hätte.
Offen bleibt nach der Lektüre der Umfrage, was die Betroffenen mit diesen Erkenntnissen machen. Wird ein Lenker, der ein betroffenes Fahrzeug hat, sich nun mässigen – oder eher in seiner egoistischen Fahrweise ermutigt sehen? Und was machen die Marken, die am Pranger stehen, mit diesem Stigma? Stoff zum nachdenken.