Sie werden am 36. European Traffic Education Contest (ETEC), einem von der Fédération Internationale de l’Automobile (FIA) organisierten europäischen Wettbewerb, in der Hafenstadt Bar an der Adria ihr Talent auf dem Velo unter Beweis stellen.
Bevor die vier Schüler im Alter von zehn bis zwölf Jahren jedoch diese Belohnung erhielten, mussten sie an der Kids Bike Challenge, die am 14. Juni in der Tissot Arena in Biel stattfand, einen Tag voller Prüfungen überstehen.
150 Schulkinder beteiligten sich an theoretischen und praktischen Übungen sowie spielerischen Demonstrationen, unterstützt und angespornt von ihrer jeweiligen Stadt- oder Kantonspolizei. «Uns war klar, dass sich die Kinder bei einer allzu formellen Veranstaltung langweilen würden und wir dann unser Ziel, sie damit zu motivieren, die Mobilität zu entdecken und Velo zu fahren, verfehlen würden», erläutert Marc Baertsch, Leiter für Verkehrserziehung beim TCS.
Der überdachte Platz in der Mitte des Bieler Stadions bietet eine grossartige Fläche für das Gymkhana sowie andere erlebnisreiche Posten. Den Anfang des Parcours bildeten zwei Rettungssanitäter von TCS Swiss Ambulance Rescue (TCS SAR), selbstverständlich mit Fahrzeug, neben dem die Kinder die Herzmassage üben konnten. «Auch wenn sie den Rhythmus nicht unbedingt zwei Minuten lang halten können, sehe ich, dass sie bereits die richtigen Reflexe und die richtige Handstellung haben», freut sich Rettungssanitäter Alain Radaelli.
Gleich daneben hatte die Waadtländer Kantonspolizei ein faszinierendes Gefährt aufgestellt: ein Überschlagssimulator auf einer horizontalen Achse. Neugierig beäugten die Kinder das Fahrzeug. Bevor sie die Kräfte eines Überschlags im Auto am eigenen Leib erfahren durften, schickte ein Polizist einige Fakten voraus: «Bei einem Aufprall mit 50 km/h steigt das Gewicht einer Person um das Dreissigfache. Und bei einem Überschlag kann sich ein Auto drei-, vier- oder sogar fünfmal drehen. Ohne Sicherheitsgurt ist das Risiko, weggeschleudert zu werden, erheblich.» Dann setzten sich die Schulkinder jeweils zu viert mit zwei wichtigen Anweisungen ins Fahrzeug: Sie mussten während der gesamten Vorführung angeschnallt bleiben und die Hände mit gekreuzten Armen auf die Schultern legen. Trotz reduzierter Geschwindigkeit eine bleibende Erfahrung.
Etwas weiter weg stand ein stattlicher Lastwagen der Kantonspolizei Bern, der das Thema des toten Winkels sensibilisieren. Die Teilnehmenden wurden aufgefordert, sich ans Steuer des Lastwagens zu setzen oder sich um diesen herum aufzustellen, um die Problematik sowohl aus Sicht des Fahrers als auch des Velofahrers oder des Fussgängers zu verstehen. Jérôme Tudela, stellvertretender Leiter der Bieler Einsatzgruppe Strassenverkehr, rät: «Man muss sich hinten rechts vom Lastwagen halten und das Kennzeichen lesen können, was uns die Gewähr gibt, dass wir uns nicht mehr in einem toten Winkel befinden.» Das gilt für alle grossen Fahrzeuge, etwa auch Trolleys oder andere Busse.
Am letzten Posten, einem Pumptrack, konnten die jungen Velofahrer auf dem Wellenparcours ihre Fahrfähigkeiten verbessern und einige Freestyle-Manöver ausprobieren.
Auf diesen eher spielerischen Teil folgte der eigentliche Schwerpunkt der Kids Bike Challenge 2023: das Gymkhana. Die Grundidee hinter dem Veloparcours ist, die Kinder als schwächste Verkehrsteilnehmer besser auf die Gefahren auf der Strasse vorzubereiten.
In der Schweiz verunglücken jedes Jahr etwa 550 Kinder mit dem Velo. Zehn- bis Vierzehnjährige sind dabei am häufigsten betroffen. Die Unfälle sind grösstenteils die Folge mangelnder Beherrschung des Velos sowie Unkenntnis der Verkehrsregeln. Um dem Abhilfe zu schaffen, konfrontiert der Parcours die Kinder mit zehn gesicherten, jedoch anspruchsvollen Prüfungen. Man muss Slalom fahren, beim Lenken nach Gegenständen greifen, eine Vollbremsung machen oder beim Spurwechsel über die Schulter schauen. Die Pedaltritte waren manchmal zögerlich, die Beherrschung des Lenkers etwas heikel. Die Holzklötze, welche die Strecke in Form einer Acht absteckten, fielen zuweilen um, doch im Grossen und Ganzen wurden die Kinder gut damit fertig – mit einem Lächeln auf den Lippen und ohne einen Kratzer. Sie wissen nun um die vielen Schwierigkeiten, denen sie im Strassenverkehr begegnen können: Sie können sich sichtbar machen, auf unebenem Gelände fahren und ihr Velo für kurze Zeit mit einer Hand steuern. TCS-Generaldirektor Jürg Wittwer, der an diesem Tag in Biel anwesend war, traf mit seinen Worten ins Schwarze: «Nur die Kinder, die einen Unfall erlitten haben, erscheinen in der Statistik. Die anderen nicht. Dass sie nicht darin auftauchen, ist das Verdienst solcher Veranstaltungen. Die Arbeit, die wir bei der Kids Bike Challenge gemeinsam mit all unseren Partnern leisten, ist unglaublich.»
Auf der hügeligen Fläche des Pumptracks legten drei Profis eine akrobatische Vorführung mit BMX, Skateboards und Minivelos hin, vor den Augen der Kinder und der Organisatoren des Tages. Als Highlight der Darbietung forderte einer der Stuntleute immer mehr Schulkinder auf, sich zwischen zwei Rampen zu legen, um über sie zu springen. Emotionen und Begeisterung waren garantiert. Bei der Preisverleihung alsdann waren Freudenschreie zu hören: Es gab eine Tombola und einen Zeichenwettbewerb für Velotrikots, doch vor allem wartete die Schlusswertung, die entschied, wer die Schweiz im kommenden Herbst in Montenegro vertreten würde.
. Zusammen mit der Theorieprüfung und dem Verkehrsgarten konnte man insgesamt 124 Punkte holen. Die drei Gewinner in den Kategorien Mädchen und Jungen wurden verlesen. Bei den Mädchen triumphierten Freja Osbäck (116 Punkte), Zoey Gerlach (114 Punkte) und Soline Janzi (111 Punkte), bei den Jungen Yannick Frey (122 Punkte), Dario Steimen (121 Punkte) und Felix Reichhart (119 Punkte). Die beiden Erstplatzierten jeder Kategorie werden vom 22. bis 25. September 2023 nach Bar reisen, um die Schweiz an der ETEC gegen 21 andere Länder zu vertreten.
Text: Jérôme Burgener
Fotos: Marc Baertsch
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