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03.04.2023

Meine Insel, mein Jet, mein Flug ins All

Nachdem die NASA den Weltraum für alle öffnen will, bieten Richard Branson, Jeff Bezos und Elon Musk Privatleuten entsprechende Angebote.
03. April 2023

Allerdings werden auf absehbare Zeit nur die sehr Betuchten abheben können. Von einer Demokratisierung des Weltraums also keine Spur.

Blue Origin
Ein Milliardär schiesst sich ins All. Am 20. Juli 2021 nahm Jeff Bezos selbst am ersten bemannten Flug seiner «New Shepard»-Rakete teil. Mit an Bord sein Bruder, eine 82-jährige Pilotin und ein Teenager als zahlender Gast.

Es war grossartig. Ich will bald wieder dorthin», sagte Wally Funk nach der Rückkehr der Raumkapsel auf die Erde. Mit 82 Jahren war die US-Pilotin, die auch Astronautentraining hinter sich hat, der älteste Mensch, der je ins All geflogen war. Aus eigener Tasche hätte sie das nicht bezahlen können. Jeff Bezos hatte sie eingeladen, am 20. Juli 2021 auf den ersten bemannten Blue-Origin-Flug mit der «New Shepard»-Rakete mitzukommen. Mit an Bord waren auch sein Bruder und der 18-jährige Oliver Daemen. Der Niederländer ging als jüngster ­Astronaut in die Annalen ein. Diese zwei Rekorde werden den Milliardär und Inhaber der Raumfahrtfirma Blue Origin etwas darüber hinweggetröstet haben, dass ihm Richard Branson neun Tage zuvor die Show gestohlen hatte. Der Brite war bereits am 11. Juli mit ­seinem Raumflugzeug «VSS Unity» von New Mexico aus Richtung Weltall ab­gehoben. Branson erreichte «nur» eine Höhe von etwa 86 Kilometern. Hoch ­genug, um von dort die Erde als Kugel zu sehen und um die «Astronaut Wings» zu erhalten, ein Abzeichen des US-Militärs. Das hatte in den 1960er-Jahren die Grenze zum All in rund achtzig Kilometern (50 Meilen) Höhe festgelegt. Bezos schaffte 110 Kilometer Höhe. Er orientiert sich an der Definition der Fédération Aéronautique Internationale, laut der das All nach hundert Kilometern über der Erde beginnt.

Realität: private Flüge zur ISS

Crew Dragon
Hayley Arceneaux umkreiste 2021 mit drei anderen drei Tage lang die Erde. US-Milliardär Jared Isaacman hatte sie zum Flug im SpaceX-Weltraumtransporter «Crew Dragon» eingeladen. Preis pro Platz: fünfzig Millionen US-Dollar. Isaacman wollte mit der Aktion Spenden sammeln für das Kinderkrankenhaus St. Jude, wo Arceneaux arbeitet und einst wegen Krebs behandelt worden war.

Für Elon Musk sind das sicher nur Hüpfer an den Rand des Weltalls. Er fliegt mit seinem Unternehmen SpaceX bereits seit 2020 Astronauten zur internationalen Raumstation ISS, die 400 Kilometer von der Erde entfernt ist. Letzten September brachte sein vom US-Milliardär Jared Isaacman gecharterte Weltraumtransporter «Crew Dragon» erstmals vier Weltraumtouristen in die Erdumlaufbahn, wo sie drei Tage in 575 Kilometern Höhe kreisten. Ebenfalls ein Rekord, denn «Inspiration4» war der erste Weltraumflug ohne Profiastronauten. SpaceX hat bereits weitere Flüge an Privatpersonen verkauft. Und die texanische Firma Axiom Space, ein Partner der US-Raumfahrtbehörde NASA, bringt im März ebenfalls in einer SpaceX-«Crew Dragon» die erste rein zivile Crew zur ISS.

Bereits in den 2000er-Jahren gab es Bestrebungen Richtung Weltraumtourismus, als die Russen einige Missionen mit vermögenden Privatleuten an Bord zur ISS flogen. Als erster Weltraumtourist gilt der US-Unternehmer Dennis Tito, der 2001 eine Woche auf der Raumstation verbracht hatte. Doch richtig in Gang kam die kommerzielle Raumfahrt nicht. Wird nun der Wunsch der NASA, den Weltraum für alle zugänglich zu machen, durch den Wettlauf der drei Milliardäre ums All Realität? «Obwohl es Pläne zum Bau ­eines Weltraumhotels gibt und nun ‹einfachere› Flüge – etwa mit SpaceX – zumindest in tiefe Umlaufbahnen möglich sind, wird Massentourismus ins All in den nächsten Jahren wohl eher nicht stattfinden», sagt Professorin Susanne Wampfler, Astrophysikerin an der Universität Bern. Es gebe typischerweise doch Gesundheitsvoraussetzungen, ein Training müsse absolviert werden, und die Kosten dafür, Dinge oder Personen ins All zu «schiessen», seien immer noch sehr hoch. «Auch die Umweltbelastung ist nicht unerheblich», gibt sie zu bedenken.

450 000 bis 55 Millionen ­US-Dollar

Axiom Space
Ein Modul für Weltraumtouristen soll 2024 an den Bereich «Harmony» der ISS – dort befinden sich Labore professioneller Astronauten – angedockt werden. Die NASA hat damit die texanische Firma Axiom Space beauftragt.

In der Tat sind die Preise enorm: Wer mit Virgin Galactic etwa drei Minuten Schwerelosigkeit erleben will, zahlt derzeit 450 000 US-Dollar. Wobei Richard Branson hofft, irgendwann die Ticketkosten auf 40 000 US-Dollar pro Flug senken zu können. Bei Blue Origin verrät man keine Zahlen. Es wird aber vermutet, dass der Bankervater von Jungraumfahrer Daemen einen zweistelligen Millionenbetrag für den zehnminütigen Flug hingeblättert hat. Interessenten, die mit Axiom Space zur ISS reisen möchten, zahlen 55 Millionen US-Dollar. Zehn Millionen davon gehen an die NASA für eine Woche Aufenthalt und Planung des Unternehmens. Plus 2000 US-Dollar pro Tag für Essen. Aber vielleicht lockt die russische Raumfahrtagentur Roskosmos bald mit etwas günstigeren Bedingungen, um frei gewordene Plätze in der Sojus-Kapsel zu füllen. Nachdem die USA 2011 das Spaceshuttle-Programm eingestellt hatten, flogen die Russen Astronauten zur ISS, bis eben Elon Musk mit SpaceX auf den Plan trat.

Auch im All spielt Stil eine Rolle Axiom Space engagierte den Architekten Philippe Starck, um das Innere des Gästemoduls zu entwerfen. Der Franzose designte eine Struktur, die an ein Ei erinnern und Komfort vermitteln soll.

Selbst wer das Geld hat – eben mal schnell zur internationalen Raumstation zu fliegen, ist nicht möglich. Spezielles Training ist vonnöten, auch wenn es nicht ganz so lange dauert wie das der zehn künftigen Astronauten, die von der NASA im Dezember 2021 vorgestellt wurden. Sie müssen sich zwei Jahre intensiv auf ihre Missionen vorbereiten. Und noch etwas ist zu bedenken – die möglichen Auswirkungen auf den Körper. Untersuchungen ergaben, dass nach einigen Tagen im Weltraum die um ein Vielfaches erhöhte Strahlung zu Mutationen im Genmaterial und zu einem höheren Krebsrisiko führen kann. Die Schwerelosigkeit wiederum wirkt sich negativ auf die Sehkraft aus und lässt Muskel- und Knochenmasse schwinden. Lohnt es sich da wirklich, nur wegen eines Kicks, oder um andere zu übertrumpfen, ins All zu fliegen?

Text: Juliane Lutz
Fotos: @Blue Origin, @Official SpaceX Photos, @Axiom Space.

Anbieter

Virgin Galactic
Abflugort: Spaceport America, New Mexico
Erfordernisse: keine (med. Check)
Leistung: suborbitaler Flug (Höhe ca. 80 km) mit Raumflugzeug (3 und mehr Minuten Schwerelosigkeit); 5–7 Tage Training (Sicherheit, Verhalten bei Start und Landung usw.) vor Ort; Raum­anzug; Austausch mit Experten
Preis: derzeit 450 000 US-Dollar, 700 Tickets verkauft
virgingalactic.com

Blue Origin
Abflugort: Van Horn, Texas
Erfordernisse: Grösse zwischen 1,60 und 1,93 Metern; Gewicht 50–101 Kilogramm; Fähigkeit, 3 Mach (das Dreifache des Körpergewichts) aushalten zu können; Bewerber sollten andere bemerkenswerte ­Erlebnisse vorweisen können.
Leistung: mit der Rakete auf über 100 Kilometern Höhe fliegen;
4 Minuten Schwerelosigkeit er­leben; Fensterplätze für alle; Training am Vortag
Preis: nicht bekannt; bei der ersten Ticketauktion erhielt wohl ein ­Bieter für 28 Mio. US-Dollar den Zuschlag.
blueorigin.com

SpaceX
Abflugort: Cape Canaveral, Florida
Erfordernisse: starke Physis und Psyche; 6 Monate Intensivtraining (Zentrifuge, Jets, outdoor)
Leistung: z. B. Orbitalflug («Inspiration4»)
Preis: 50 Mio. US-Dollar p. P. («In­spiration4»)
spacex.com

Axiom Space
Abflugort: Cape Canaveral, Florida
Erfordernisse: starke Physis und Psyche, Mission nötig
Leistung: 17 Wochen Vorbereitung auf NASA-Level, dort, wo professionelle Astronauten trainieren; Flug (prof. Astronaut als Comman­der); 8 Tage Aufenthalt auf der ISS
Preis: 55 Mio. US-Dollar p. P.
axiomspace.com

Roskosmos
Abflugort: Weltraumbahnhof ­Baikonur, Kasachstan
Erfordernisse: nicht bekannt
Leistung: Flug mit Profiastronauten und Privatleuten; 14 Tage Aufenthalt auf der ISS
Preis: zwischen 44 und 53 Mio. US-Dollar p. P. (Schätzungen)
en.roscosmos.ru

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