Im Herbst 2020 staunte die Schweiz, als der Anteil der reinen Elektroautos an der 10%-Marke zu kratzen begann und jener der Verbrenner auf zwei Drittel sank. Dies bedeutete nämlich, dass das einst äusserst kühn eingestufte Branchenziel 10/20 von Auto Schweiz tatsächlich praktisch erreicht worden war: 10% Elektroautos in 2020. Die nächste Vision, welche breite Akzeptanz hatte, war 25/25, also 25% Marktanteil im Jahr 2025.
Ein Jahr später präsentiert sich ein Bild, das erneut zum Staunen einlädt: Im November 2021 hatten 29.5% der Neuwagen einen Stecker, der Anteil der reinen Benzin- und Dieselautos lag bei nur noch 49.1%. Es sieht ganz danach aus, als würde das vierte Quartal 2021 das erste Quartal in der Geschichte des Schweizer Automobilmarktes, in dem die konventionellen Antriebe von den alternativen (Hybrid, Plug-in Hybrid und Elektroauto) in eine Minderheit verdrängt werden.
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Im Vergleich zum Jahr vor Corona, 2019, liegt der Schweizer Automarkt nach elf Monaten 2021 mit 23% im Minus. Die Abschwächung hat sich im Laufe des Jahres sogar verstärkt, denn über die vergangenen drei Monate (September bis November 2021) liegt der Gesamtmarkt gar 28% unter der entsprechenden Periode 2019.
Lediglich drei Hersteller – Tesla, Hyundai und Toyota – konnten gegenüber 2019 zulegen. Alle anderen Hersteller liegen zurück, teilweise markant. Der Durchschnitt der roten Zahlen beträgt -32%, wobei es SsangYong (nicht in der Grafik) mit -95% am übelsten traf. Tesla’s enorme Steigerung von 90% kann auf das neue Model Y zurückgeführt werden, das erst seit diesem August in der Schweiz ausgeliefert wird.
Als Gründe für die Schwäche im Automarkt sind vier wichtige Faktoren im Spiel:
Bemerkenswert ist, dass die Elektroautos die wichtige Schwelle von 16% überschritten haben. Die Adoptionskurve nach Everett M. Rogers besagt nämlich, dass sich eine technologische Neuheit oder ein neues Produkt erst im Massenmarkt durchsetzen kann, wenn die beiden Kundengruppen «Innovatoren» und «Early Adopters» überzeugt werden konnten. Der Übergang zwischen den «Early Adopters» und dem frühen Massenmarkt («Early Majority») funktioniert dabei wie ein Kipppunkt: Die Kundenakzeptanz und damit die Verbreitung beschleunigen sich. Mit 18.3% haben die elektrischen Autos diesen Kipppunkt nun erstmals in einer Dreimonatsperiode markant überschritten. Vor dem Hintergrund der laufenden technischen Fortschritte, höheren Akzeptanz und attraktiven Auswahl an Modellen lässt sich ein weiteres Wachstum der Marktanteile absehen. Die 50%-Marke, welche die meisten Experten erst um das Jahr 2030 erreicht sahen, dürfte wesentlich früher erreicht werden.
Im Vergleich zu 2020 kam es in der Rangliste der beliebtesten Modelle zu einigen interessanten Veränderungen: Das Model 3 von Tesla konnte den VW Tiguan und den Audi Q3 überholen und knapp hinter dem langjährigen Dauersieger Skoda Octavia den zweiten Platz einnehmen. Bemerkenswert ist, dass der Kalifornier in verschiedenen Märkten während mehrerer Monate das meist verkaufte Auto der Gesamtstatistik war. Dank der elektrischen Variante schaffte es der Fiat 500 in die Top 5. Der Renault Zoë, einer der Pioniere der E-Mobilität und in der aktuellen dritten Version (bis auf die bedenklich schlechten Crash Resultate bei Euro NCap) ein überzeugendes E-Auto, fiel in der Gunst der Kunden stark zurück: Vom 13. Gesamtrang 2020 auf den 45. Platz 2021. Mit dem Verschwinden des Zoë aus den Top 15 fiel der Anteil Elektroautos in dieser Gruppe von 15% im Vorjahr auf nun 13% bis 2021.11. Deren Anteil dürfte nächstes Jahr wieder steigen, denn mit VW ID.3 und ID.4, Skoda Enyaq und Tesla Model Y gibt es drei potente Kandidaten für die Spitzengruppe. Sie liegen in diesem Jahr auf den Plätzen 17, 38 und 60 der Gesamtstatistik.
Ein völlig anderes Bild – und eventuell ein Anzeichen für den Osborne-Effekt zeigt sich in den Top 15 der Periode zwischen September und November 2021: Der Skoda Octavia wird von den Elektroautos auf die fünfte Position verwiesen. Die ersten dreieinhalb Plätze werden von Autos belegt, die keinen Verbrennungsmotor mehr haben (einhalb deshalb, weil der Fiat 500 sowohl als Stromer wie auch als Hybrid und Verbrenner erhältlich ist). Ein Meilenstein und bis vor kurzem noch undenkbar! Zusammen mit dem Volvo XC40 Recharge sind fünf vollelektrische Modelle unter den Top 7, die in dieser Siebnergruppe einen Marktanteil fast zwei Drittel auf sich vereinen.
Gegen Ende 2020 umfasste die Liste der reinen Elektroautos noch 43 Modelle. Ein Jahr später sind es bereits rund 50% mehr. Fünf der Neuankömmlinge konnten sich gleich in die Spitzengruppe der 15 beliebtesten Vollelektrischen des Jahres 2021 (Januar bis November) einreihen: Der Skoda Enyaq, der VW ID.4, das Model Y von Tesla, Mercedes’ EQA und Hyundai’s Ioniq 5. Bemerkenswert auch die Tatsache, dass diese vier alle derselben Fahrzeugkategorie angehören: Crossover bzw. Klein-SUV.
Neben Tesla haben bisher vor allem Renault (mit dem Zoë), Hyundai (mit Ioniq und Kona) und VW (mit den elektrischen Varianten von Golf und Up) die Elektrifizierung der Mobilität getrieben.
Hier kam es im Verlaufe des Jahres zu einer deutlichen Veränderung: VW, Skoda und Audi schoben sich weiter nach vorne und verdrängen Renault und Hyundai zunehmend aus den Spitzenrängen der Elektroauto-Hersteller. Hyundai konnte seine E-Auto-Verkäufe in der Schweiz zwar um 45% steigern, doch das reichte nicht zur Verteidigung des dritten Vorjahresranges: VW vervierfachte, Skoda verdreifachte und Audi verdoppelte. Bei Renault’s Erfolgsstromer Zoë kam es gar zu einem Rückgang von 40%. Trotz dieses heftigen Einbruchs ist der Zoë 2021 das viertbeliebteste E-Auto der Schweizer. Vielleicht übernimmt der kleine Renault Twingo Z.E. die Rolle des Elektroautos für jedermann.
Volvo feiert Erfolge mit dem XC40, der als Verbrenner, Hybrid, Plug-in Hybrid und Elektro bei allen Antriebsarten eine wesentliche Rolle bei den Neuwagen spielt. Mit dem Ioniq 5 könnte Hyundai an den Erfolg des Kona anschliessen und hat sogar das Auto des Jahres damit lanciert. Die neue Plattform mit der 800V Ladetechnik ist vielversprechend. Wir sind gespannt, ob und was folgen wird.
Peugeot hat sich aus den Top 10 Herstellern von Elektroautos verabschiedet. Anfangs der 10er Jahre ist die Marke mit dem iOn auf der Technologie des Pioniers Mitsubishi iMieV mitgefahren. Der e208 und der e2008 stehen heute auf der gleichen Plattform wie die Konzerngeschwister von Citroën und Opel.
Gegenüber Oktober 2020 steigerten die Steckerfahrzeuge ihren weltweiten Marktanteil um 70% auf knapp 9%. Vier Fünftel davon waren reine Elektroautos. Über das ganze Jahr bis und mit Oktober liegen die Neuwagen mit Stecker bei 7.2%. Da November und Dezember erfahrungsgemäss starke Verkaufsmonate sind, könnten die mit externem Strom ladbaren Autos fürs Gesamtjahr auf sechs Millionen Verkäufe kommen, was etwa dem Doppelten von 2020 entspräche. Die weltweit beliebtesten Elektroautos 2021 (bis und mit Oktober) waren mit grossem Abstand das Model 3 und das Model Y von Tesla sowie das HongGuang Mini EV von Wuling (ein Kleinstauto, das nur in China verkauft wird).
Online: Dezember 2021