Der Bestand an Anhängern in der Schweiz wächst stetig. Stand 2023 sind in der Schweiz rund 420'000 Anhänger bis 3.5t eingelöst. Dies ist im Vergleich zu 2013 eine Zunahme von 19%. Die Zahl der eingelösten Personenwagen hat im selben Zeitraum um 10% zugenommen.
Das Fahren mit Anhänger am Auto kann insbesondere unerfahrene Nutzer vor Herausforderungen stellen, nicht nur beim Rangieren. Ein Gespann reagiert auf Seitenwind und Spurwechsel viel sensibler als das Auto allein: Der Anhänger kann sich – oftmals überraschend schnell – aufschaukeln. Wenn dann nicht schnell genug und richtig reagiert wird, kann es zu einem Unfall kommen. Denn wenn der Anhänger deutlich ausbricht, kann er kaum mehr abgefangen werden.
Im Rahmen dieses Tests wird aufgezeigt, worauf grundsätzlich geachtet werden muss, um ein möglichst stabiles Fahrverhalten zu erzielen. Darüber hinaus rücken die technischen Hilfsmittel in den Fokus: Inwiefern kann man mit entsprechender Ausrüstung des Autos oder Anhängers für eine höhere Fahrsicherheit sorgen? Deshalb werden verschiedene Technologien betrachtet, auch in unterschiedlichen Kombinationen:
Auf dem Markt sind drei Systeme verfügbar:
Diese Systeme wurden auf dem Versuchsgelände des ADAC Testzentrum Mobilität in Penzing getestet.
Im Ergebnis zeigen sich, angefangen beim Einbau, deutliche Unterschiede zwischen den Systemen.
Das AL-KO ATC 2.0 überzeugte in allen Fahrdynamikversuchen und erhielt deshalb die beste Bewertung «hervorragend». Die Anleitung ist sehr leicht verständlich. Das ATC macht zudem einen wertigen Eindruck. Allerdings: Falls der eigene Anhänger keine Achse und Bremsen von AL-KO hat, dann passt das ATC 2.0 nicht. Zudem muss man das Gewicht des Anhängers bei der Auswahl des passenden Systems beachten. Insgesamt ergeben sich zwölf verschiedene Varianten sowohl für Einachser als auch für Anhänger mit einer Tandemachse.
Das LEAS genannte Stabilisierungssystem von der Firma BL-Trading, überzeugte im Test ebenfalls. In allen Fahrdynamikversuchen bremste es den Anhänger situationsgerecht ein und erhielt die Note «sehr empfehlenswert». Ein weiterer Vorteil liegt in der universellen Anwendbarkeit: Egal wie der Hersteller des Anhängers lautet, solange es ein Anhänger mit einer Auflaufbremseinrichtung ist, passt das System von BL-Trading. Nicht überzeugt hat hingegen die Verarbeitung, weil beim gekauften Produkt das Gehäuse des Beschleunigungssensors mit Klebeband „abgedichtet“ war, Elektronikbauteile in Luftpolsterfolie und Klebeband gewickelt sind und einige Lötstellen optisch nicht überzeugten.
Das Knott ETS Plus erkannte einen schlingernden Anhänger zuverlässig und bremste passend ein. Beim Ausweichversuch aber reagierte es hingegen sehr spät, während die Testkonkurrenz den Anhänger zu diesem Zeitpunkt schon deutlich eingebremst und damit stabilisiert hatte. Dennoch erhielt es die Note «empfehlenswert». Der Einbau ist etwas komplizierter als beim Al-KO und bei LEAS , da die Bremszüge demontiert und durch das Knott ETS Plus geführt werden müssen. Auch bei diesem System muss man aus 20 verschiedenen Varianten die für den eigenen Anhänger passende auswählen, abhängig von der Gewichtsklasse und dem Achshersteller. Voraussetzung ist zudem ein Anhänger mit Knott- oder AL-KO-Achse(n), damit das System passt.
Bei der Begutachtung der Systeme vor dem Einbau wird schnell klar, dass die Systeme von Knott und AL-KO von großen Firmen angeboten werden, während das LEAS von BL-Trading hier eher wie eine Self-Made-Lösung wirkt.
Die Anleitung von BL-Trading ist nicht immer eingängig, was zumindest dann keine Relevanz für den Endverbraucher hat, wenn man das System in einer Fachwerkstatt einbauen lässt. Dass die Bauteile allerdings teils hemdsärmelig gefertigt sind, hinterlässt keinen guten Eindruck. So ist das Gehäuse des Beschleunigungssensors mit Klebeband „abgedichtet“, manch eine Lötstelle ist nicht gerade wie aus dem Lehrbuch und Elektronikbauteile, die in Luftpolsterfolie und Klebeband gewickelt sind, entsprechen auch nicht der allgemeinen Vorstellung von einer soliden Verarbeitung.
Beim System von AL-KO trifft das Gegenteil zu. An der übersichtlichen Einbauanleitung und der tadellosen Verarbeitung von Gehäusen und Steckern sieht man, dass eine Firma mit Qualitätsmanagement am Werk ist. Auch das Knott-System ist robust verarbeitet, nur die Anleitung ist etwas weniger klar formuliert und gestaltet. Beim Einbau muss man mit dem Knott am meisten Fummel Arbeit absolvieren, das Festziehen der Bremsseilhüllen verlangt Fingerspitzengefühl. Der Einbau geht insgesamt aber problemlos über die Bühne – wenn man einige Erfahrung und bestenfalls eine einschlägige Ausbildung hat.
Im Wirkprinzip des LEAS liegt ein großer Vorteil des Systems, denn es kann an allen Anhängern mit Auflaufbremse angebracht werden, unabhängig vom Hersteller. Sogar für einen Anhänger mit Tandemachse braucht man kein anderes System, sondern muss nur ein paar Schrauben am System anders einstellen. Wenn man sich für Knott oder AL-KO entscheidet, muss man passend für den Achs- und Bremshersteller sowie für die Gewichtsklasse des Anhängers die richtige Produktvariante wählen.
Laien sollten sich für den Einbau unbedingt an eine Werkstatt wenden; die Bremsanlage ist kein Bereich, um seine ersten Schrauber-Erfahrungen zu sammeln.
Alle drei getesteten Systeme funktionieren beim typischen Anhänger-Schlingern souverän, beim herausfordernden Spurwechsel beziehungsweise Ausweichtest trennt sich das Testfeld dann deutlich. Das Knott ETS Plus ist für diese Anforderung nicht ausgelegt, was bedauerlich ist, denn: Die Produkte von AL-KO und BL-Trading unterstützen auch in diesen Situationen und können helfen, Unfälle zu vermeiden. Absolut entscheidend ist aber auch die richtige Vorbereitung des Anhängers. Mit einer deutlich zu geringen Stützlast wird das Gespann so instabil, dass auch das beste elektronische System nicht mehr weiterhelfen kann. Zudem sollten die Bremsen des Anhängers einmal im Jahr korrekt eingestellt werden, dann mit einer schlecht gewarteten Bremsanlage greift auch der Testsieger, das AL-KO ATC 2.0, ins Leere.
Der Spurwechsel ist für den beim Schlingern noch treffgenau eingreifenden Knott eine härtere Nuss. Erst als das Fahrmanöver schon fast beendet ist, greift das ETS Plus ein. Zwar kann damit eventuell auch der eine oder andere Unfall vermieden werden, aber angesichts der Regelgüte der anderen beiden Systeme kann das Urteil in diesem Kriterium nur eine ausreichende Benotung sein. LEAS und insbesondere ATC greifen beim Ausweichvorgang früh ein und helfen maßgeblich, das Gespann stabil und damit manövrierbar zu halten. Beide Systeme greifen eher ein als sie das bei den Schlingerversuchen getan haben – also erkennen sie wohl die deutlich höheren Querbeschleunigungen beim kritischen Ausweichvorgang sofort als gefährlich und bremsen ab. Das System von Knott wartet hier zu lange und bremst erst später als bei den Schlingerversuchen. Offenbar ist ein Manöver wie der Ausweichvorgang bei Knott nicht in die Entwicklung mit eingeflossen. Die Mitbewerber zeigen aber, dass auch hier ein deutlicher Sicherheitsgewinn möglich ist.
Versuche ohne Stabilisierungssystem im Anhänger sollten abschliessend noch klären, wie effektiv sich die Anhänger-Erkennung des Zugfahrzeug-ESP auf die Fahrsicherheit auswirkt. Dafür wurde diese Erkennung in der Elektronik des Zugfahrzeug deaktiviert und der Ausweichversuch gefahren. Die Ergebnisse der Fahrten mit und ohne Anhänger-Erkennung wurden auch im direkten Vergleich zu einem Versuch mit im Anhänger verbauten Stabilisierungssystem betrachtet.
Ohne Unterstützung schwingt sich der Anhänger auf und ist ohne korrekte Fahrerreaktion (Lenkrad halten, Bremsen!) kaum zu stabilisieren. Die Gierraten, also die Neigung von Anhänger und Zugfahrzeug sich aus der Fahrspur zu drehen, werden durch das Anhänger-ESP des Zugfahrzeugs schon merklich gemindert, mit einem im Anhänger verbauten Stabilisierungssystem (hier beispielhaft das von AL-KO) ist das ganze Gespann nochmal deutlich schneller wieder stabil. Es gibt unter den fahrzeugseitigen Anhänger-ESP-Regelungen aber wiederum deutliche Unterschiede, dies zeigte eine vergangene Untersuchung des ADAC.
Sowohl die subjektiven Fahrversuche als auch die objektiv bewerteten und mittels Lenkroboter durchgeführten Fahrmanöver machen deutlich: Die Fahrsicherheit eines Gespanns kann durch elektronische Regelsysteme immens gesteigert werden.
Das System von AL-KO zeigt keine Schwächen landet damit ganz oben auf dem Treppchen.
Die Lösung von BL-Trading, dem Pionier im Bereich der Anhängerstabilisierung, hat ein paar Schwächen bei der Verarbeitung und dem Handling. Beim entscheidenden Kriterium, der Stabilisierungsfunktion, liegt es aber nur knapp hinter AL-KO. Ausserdem ist es ein universelles System, erlaubt also zum Beispiel auch den Umbau von einem beliebigen Anhänger auf einen anderen.
Das Knott ETS Plus gerät durch die zu späte Regelung bei einem Spurwechsel ins Hintertreffen, erhält insgesamt aber auch noch eine empfehlenswerte Bewertung – greift es beim Schlingern doch am frühesten ein.