Auch der Touring Club Schweiz entsandte eine Delegation – und holte sich prompt den Sieg. Ein grosser Erfolg und ein Zeugnis für die hohe Qualität, die der TCS tagtäglich auf die Strasse bringt. Der Pokal ist jedoch nicht das Einzige, das die zwei Romands aus Brüssel mitbringen.
Noch fünfzig Sekunden. Nach der Ansage des Prüfers sprintet Raphaël Berger zu Vivien Robin vorne am Motor, drückt ihm etwas in die Hand, schleudert sich auf den Fahrersitz und, sobald sein Kollege das Teil angeschlossen hat, dreht er den Zündschlüssel. Der Wagen springt an. Das vertraute, erlösende Schnurren lässt die Arme von Coach Reto Sandmeier, der diese letzte Prüfung wie immer aufmerksam verfolgt hat, in die Höhe schnellen. Mit dem stechenden, fokussierten Blick, den Raphaël die vergangenen Tage immer hatte, wenn es ernst wurde, streckt er den Kopf durchs offene Fenster, um sich wortlos bei seinem Kollegen zu vergewissern. «Es läuft», bestätigt Vivien. Beide grinsen. Es ist das Ende zweier intensiver Wettkampftage, in denen sich die beiden TCS-Patrouilleure der Region Léman-Neuchâtel in verschiedenen theoretischen und praktischen Aufgaben beweisen mussten. Wie gut sie wirklich waren und wie sie sich im Vergleich zu den anderen vierzehn Teams geschlagen haben, ahnen sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Jetzt überwiegt die Zufriedenheit und die Freude auf ein wohlverdientes belgisches Bier.
Brüssel zeigt sich in dieser Spätoktoberwoche von seiner sonnigen Seite, als sich die Männer und eine Frau in ihren leuchtgelben Uniformen fürs Gruppenfoto aufstellen. Nur das dänische Duo sticht mit roten Overalls aus der Menge heraus. Aus allen Regionen Europas sind sie der Einladung der FIA Region 1, ARC Europe und dem Touring, dem belgischen Gastgeberclub, gefolgt. Dreissig Kfz-Profis und ihre Coaches sind gekommen, um sich am Road Patrol Training for Excellence miteinander zu messen. Während die Teams aus den Niederlanden (ANWB), Luxemburg (ACL), Frankreich (ARC France), Deutschland (ADAC) und Grossbritannien (AA) eine relativ kurze Anreise mit ihren Pannenfahrzeugen genossen, nahmen jene aus Spanien (RACE), Dänemark (SOS FDM), Österreich (ÖAMTC), Slowenien (AMZS), Polen (ARC Poland), Ungarn (MAK) und Kroatien (HAK) einige Reisestrapazen auf sich. Die TCS-Patrouilleure legten rund 700 Kilometer zurück. Den mit Abstand weitesten Weg hatte das gemischte Doppel des finnischen Clubs Autoliitto: über 2300 Kilometer!
Laut Jorge F. Delgado, Präsident der FIA Region 1 gehe es beim Treffen der besten Patrouilleure im Endeffekt aber weniger um individuelle Auszeichnungen als um das Wohl der Menschen, die irgendwo auf dem alten Kontinent eine Fahrzeugpanne haben: «Das Ziel dieser Veranstaltung ist es, sich auszutauschen, Neues kennenzulernen und sich weiterzuentwickeln. Nur so können wir auf allen Strassen Europas einen gleichwertig hohen Service und die bestmögliche Hilfe anbieten.» Der Wettkampf, aber auch der Spass und die freundschaftlichen Begegnungen würden dafür sorgen, dass die Teilnehmenden auch alles aus sich herausholten, so Delgado, der ebenfalls als CEO des spanischen RACE amtet.
Kaum ist das Gruppenfoto im Kasten, beginnt auch schon der Austausch. Dabei werden vor allem die Einsatzfahrzeuge mit Interesse inspiziert. «Wir machen alle den gleichen Job, aber unter unterschiedlichen Voraussetzungen und mit anderen Materialien und Werkzeugen. Das ist horizonterweiternd», sagt Vivien Robin. Dass auch der TCS neue Perspektiven anzubieten hat, zeigt sich, als sich plötzlich eine Menschentraube ums Heck des Mercedes-Benz Vito mit Waadtländer Kennzeichen bildet. Der Grund: Die neue Abschleppachse, die sich automatisch aus dem Laderaum absenken lässt und es ermöglicht, gestrandete Fahrzeuge umgehend von der Strasse zu ziehen. «Das ist genial», bemerkt ein Kollege aus Luxemburg, «damit würden wir viel Zeit sparen, und es käme zu weniger Staus.» Routiniert erklären Raphaël und Vivien ihrem Publikum die Details der innovativen Achse. Obwohl es dafür noch keine Punkte gibt, hinterlassen die beiden Romands eine erste Duftmarke bei den Kollegen, die ab morgen ihre Kontrahenten sein werden.
Der erste Wettkampftag beginnt, unspektakulär, im Theorieraum. Der TCS ist in die Gruppe mit den Teams aus Deutschland, Kroatien und Slowenien eingeteilt. Zusammen mit den Trainern folgen sie den Erläuterungen des belgischen Experten zum Thema E-Mobilität. Vom chinesischen Auto über Velos bis zum Stepper, wie das E-Trottinett hier genannt wird, müssten sie schliesslich mit allen Fahrzeugarten umgehen können, auch den nicht alltäglichen, mahnt der Referent. So dreht sich die erste von acht praktischen Prüfungen für die TCS-Patrouilleure denn auch genau um ein solch spezielles Gefährt: einen Renault Twizy. Die Aufgabe: den elektrischen Zweisitzer in zwanzig Minuten wieder zum Laufen bringen. Weil es nicht nur für die Problemlösung Punkte gibt, sondern auch für den Umgang mit den Kunden, beginnen die Challenges wie die Pannenfälle im beruflichen Alltag: mit Händeschütteln, Fragen stellen und, wenn nötig, mit beruhigenden Worten. Die Kunden werden in diesem Fall jeweils von einem Spezialisten eines Partnerclubs gemimt. Professionell und freundlich, ja gar charmant, interagieren die beiden Schweizer mit dem Hilfesuchenden. Danach verschaffen sie sich einen Überblick über das Fahrzeug und tauschen sich konstant miteinander aus, während sie den Elektroflitzer ruhig und doch flink durchchecken.
Dass sie als Team harmonieren, stellt auch Reto Sandmeier mit einer gewissen Erleichterung fest. «Ich wusste zwar, dass sie top in ihrem Job sind, aber dass das Teamwork so hervorragend funktioniert, überrascht mich ein wenig. Schliesslich arbeiten sie in der Realität alleine», sagt der Trainer, der selbst über jahrelange Erfahrung als Pannenhelfer beim TCS verfügt. Und, obwohl sie zuvor zwei Trainingstage in Emmen absolviert hätten, sei er gespannt darauf gewesen, wie die zwei doch sehr unterschiedlichen Charaktere miteinander zurechtkommen. Der eine ein Routinier, seit 24 Jahren TCS-Patrouilleur, verheiratet, Oldtimersammler, Kurzhaarschnitt, geerdet. Der andere ein junger, lediger Weltenbummler mit langer Mähne, der, bevor er vor gut zwei Jahren zum TCS stiess, fünf Jahre als humanitärer Helfer in diversen afrikanischen Ländern fürs Rote Kreuz und Ärzte ohne Grenzen im Einsatz war. Nach bereits zehn Minuten Arbeit am Twizy stellt sich heraus, dass sie sich perfekt ergänzen: Raphaël setzt sich ans Lenkrad, startet den Elektromotor und fährt lautlos aus der Garage hinaus. Erste Prüfung: Check.
Die Harmonie hält an. Auch die folgenden Aufgaben lösen sie, von aussen betrachtet, mit souveräner Leichtigkeit. Sei es die Vorbereitung eines Peugeot 2008 zum Abtransport, bei dem es im Dunkeln das Schaltgetriebe zu deblockieren gilt, das Überbrücken der Batterie einer KTM Duke oder das Reparieren von Autos mit verschiedenen Antrieben – vom Mercedes-Benz A 250 e über einen älteren Opel Combo oder einen Hyundai Ioniq Plug-in-Hybrid aus England. Bei letzterem absolvieren sie ihren Job dermassen eindrucksvoll, dass der englische Experte begeistert sagt: «Diesen Jungs würde ich mit gutem Gewissen meine Familie anvertrauen.»
Mit jeder erfolgreichen Challenge und jedem Kompliment steigen das Selbstbewusstsein und der Glaube daran, vorne mitmischen zu können. Aber: «Wir wissen nicht, wie sich die anderen schlagen. Hauptsache wir haben unser Bestes gegeben», sagt Vivien … Und dann kommt der Hyundai i20, die letzte Prüfung, die letzten fünfzig Sekunden. Er muss einfach nur anspringen …
Kaum ist der Wettkampf beendet, werden aus den Kontrahenten wieder Kameraden, die den letzten Abend im malerischen Zentrum der belgischen Hauptstadt gemeinsam ausklingen lassen. Am nächsten, dem letzten Tag wird es feierlich. Und emotional. Zu Champagner und Mittagsbuffet kommt es zur Rangverkündigung der besten drei Teams. Dritter Platz: ANWB, zweiter Platz: AA. Raphaël schüttelt den Kopf. «Es kann fast nicht sein, dass wir besser als die Niederländer und die Engländer waren», flüstert er. Doch er irrt. «First Place and Road Patrol Team of the Year: Tii Sii Es», hallt es auf Englisch von der Bühne. Ungläubig schauen sich die TCS-Patrouilleure in die Augen, bevor sie sich in die Arme fallen und die Goldmedaille und Pokale in Empfang nehmen. Sogar der sonst so besonnene Reto kann die Freudentränchen nicht zurückhalten. Europameister! Ein grandioser Erfolg, den auch TCS-Generaldirektor Jürg Wittwer kaum hoch genug bewerten kann: «Als TCS wollen wir unseren Mitgliedern den besten Service anbieten, und nun haben wir den Beweis hierfür: Unsere Patrouilleure sind die Besten. Im Namen aller Mitglieder danke ich den Gewinnern, aber vor allem danke ich dem gesamten Team, das tagaus, tagein auf der Strasse und am Telefon Menschen aus der Patsche hilft.» Ebenfalls würdigende Worte für den Club aus der Schweiz findet der FIA-Region-1-Präsident: «Ich kenne den TCS und seine Qualität sehr gut. Er gehört zu unseren innovativsten Clubs. Eine Messlatte für die Region und die gesamte FIA», so Jorge F. Delgado.
Die Gratulationen prasseln von allen Seiten – persönlich und digital – auf Raphaël und Vivien ein, die sich noch am selben Tag auf den Rückweg machen. Im Gepäck bringen sie aber mehr als den Pokal in die Heimat: Das Wissen, die Begegnungen und die Lehren aus den vier Tagen werden sie von nun an im Alltag begleiten. Und die Mitglieder des TCS dürfen sich freuen, nicht nur von der besten Pannenhilfe der Schweiz, sondern von ganz Europa betreut zu werden.
Welche Anforderungen müssen erfüllt sein, um Teil der TCS Patrouille zu werden?
Sandro Hasenfratz: Das Wichtigste ist die Freude am Helfen von Mitmenschen in Not. Wenn dazu noch die technischen Fähigkeiten am Arbeiten an Fahrzeugen erlernt worden sind und man flexibel für den Einsatz ausserhalb des gewöhnlichen Nine-to-five-Jobs ist, dann ist man bei der Patrouille absolut richtig.
Warum lohnt es sich, sich für den Beruf des Pannenhelfers zu entscheiden?
Als Patrouilleurin oder Patrouilleur lernt man vieles über alle möglichen Fahrzeuge und wie man bei komplexen, technischen Problemen eine einfache Lösung findet. Darüber hinaus beinhaltet der Beruf aber auch den Umgang mit Kundinnen und Kunden, die sich in einer unerwarteten, meist stressigen Situation befinden. Man lernt, auf ihre Bedürfnisse und Signale einzugehen und wie man mit dem nötigen Fingerspitzengefühl den Menschen zu verstehen gibt, dass sie in den besten Händen sind. Der Beruf des Patrouilleurs ist eine gute Lebensschule.
Sucht die TCS Patrouille noch neue Mitarbeitende?
Ja, es gibt immer wieder Möglichkeiten, als TCS-Patrouilleur zu starten. Denn durch die wachsenden Mitgliederzahlen steigt auch die Kundschaft, die auf unsere Unterstützung angewiesen ist. Wer sich für eine Anstellung bei uns interessiert, kann unter dem folgenden Link nach offenen Stellen in der gewünschten Region suchen. Wir stehen auch für Fragen gerne zur Verfügung.
tcs.ch/patrouille
Text: Dominic Graf
Fotos: Emanuel Freudiger
Name:
Raphaël Berger
Alter:
47 Jahre
Zivilstand:
Verheiratet, 3 Kinder (11, 16 und 20 Jahre)
Wohnort:
Pailly (VD)
Arbeitsort:
Crissier (VD), Patrouille West,
Léman-Neuchâtel
Beruflicher Werdegang:
1995 bis 1999 Lehre zum Automechaniker, 2000 bis 2002 eidgenössischer Fachausweis als Elektromechaniker, seit 2000 TCS-Patrouilleur und seit 2002 zusätzlich technischer Ausbildner
Hobbys:
Familie, Karting, Mechanik, Oldtimer (Toyota Corolla, BMW M3, Porsche 911)
Name:
Vivien Robin
Alter:
34 Jahre
Zivilstand: Ledig, Vater von Zwillingen (3,5 Jahre)
Wohnort:
Tolochenaz (VD)
Arbeitsort:
Crissier (VD), Patrouille West,
Léman-Neuchâtel
Beruflicher Werdegang:
2009 Matura und Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis als Automechaniker,
2009 bis 2017 Mechaniker, 2017 bis 2022 humanitäre Einsätze in Afrika, seit 2022 TCS-Patrouilleur
Hobbys:
Zeichnen, Lesen, Reisen, Jugend-
und Erwachsenenbildung (ehrenamtlich), Autos individualisieren
Nahezu die Hälfte nicht konform
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