Neue Strassen können durchaus zu der gewünschten Entwicklung führen. Seit im Gubrist, eine der schlimmsten Staustrecken der Schweiz, im letzten Jahr alle Spuren der neuen dritten Tunnelröhre für den Verkehr freigegeben wurden, kam es zu deutlich weniger Stau und, noch wichtiger, zu weniger Verkehrsunfällen. Durch den besseren Verkehrsfluss kam es auch zu einer deutlichen Abnahme des Ausweichverkehrs durch die anliegenden Dörfer.
Das Bundesamt für Strassen (Astra) hat das Verkehrsaufkommen auf der Autobahn A1 bei der Nordumfahrung Zürich im ersten Halbjahr 2023 mit der Periode Juli bis November 2023 verglichen. Dabei zeigte sich, dass der durchschnittliche Tagesverkehr in Fahrtrichtung Bern um zehn Prozent zugenommen hat, in den morgendlichen und abendlichen Spitzenzeiten fiel die Zunahme mit bis zu vierzig Prozent besonders stark aus. Für das Astra ist deshalb klar: «Die Kapazitätserweiterung in Fahrtrichtung Bern lenkt den Verkehr somit erkennbar auf die Nationalstrasse.» Gleichzeitig ist der Stau in Fahrtrichtung Bern deutlich zurückgegangen. Auch die Anzahl Verkehrsunfälle haben gegenüber der Zeitspanne vor Beginn der Bauarbeiten an der dritten Tunnelröhre um 75 Prozent abgenommen. Gleichzeitig wurde das nachgelagerte Strassennetz entlastet. «Insgesamt lässt sich auf den Strassen, die als potenzielle Ausweichrouten zur Autobahn dienen, seit Juli 2023 eine deutliche Entlastung feststellen», so das Astra weiter.
Konkret wird es im Herbst also um sechs Projekte gehen (siehe Karte). Zwei dieser Ausbauprojekte betreffen die A1 im Kanton Bern, die vor allem zwischen Wankdorf und Kirchberg Fahrspurausbauten vorsehen. Für den Berner Baudirektor Christoph Neuhaus ist klar: «Weil gewisse Abschnitte stark überlastet sind, führt dies zu immer mehr Ausweichverkehr. Zudem ist bei Stau und stockendem Verkehr das Unfallpotenzial höher. Durch punktuelle Ausbauten wird der Verkehr zurück auf die Autobahn geholt, und die umliegenden Ortschaften werden entlastet. Und weiter: «Die geplanten Ausbauten beseitigen einen bekannten Engpass. Das ist gut für die Berner Wirtschaft, die Tourismusdestinationen und vor allem für unsere Wohnbevölkerung entlang der Achse Bern–Burgdorf.» Christoph Neuhaus gibt aber auch zu bedenken: «Die Ausbauprojekte, die wir heute planen, werden in fünf bis zehn Jahren gebaut. Das Astra plant also heute für die Zukunft.»
Ähnlich sieht die Lage im Kanton Schaffhausen aus, wo das Astra zwischen Schaffhausen-Süd und Herblingen die Fahrbahn durchgehend auf jeweils zwei Fahrstreifen ausbauen will. Zentrales Element ist dabei der Bau einer zweiten Röhre des Fäsenstaubtunnels, die auch zu mehr Sicherheit führen soll. Martin Kessler, der Vorsteher des Schaffhauser Baudepartements, erklärt auf Anfrage: «Für den Regierungsrat ist klar: Der vom Bundesrat geplante Vierspurausbau zwischen Schaffhausen-Süd und Herblingen ist zwingend notwendig. Es geht um die langfristige Sicherstellung der Funktionsfähigkeit unseres Verkehrssystems in der Agglomeration und in der Region Schaffhausen.» Die Auswirkungen eines gesperrten Fäsenstaubtunnels seien in der Stadt Schaffhausen bekannt. «Der Verkehr bricht innert wenigen Minuten zusammen», so Martin Kessler. Nicht zuletzt müsse auch die bestehende Tunnelröhre in einigen Jahren saniert werden. «Und eine Sanierung unter Betrieb ist bei diesen Verkehrsmengen schlicht nicht möglich», sagt der Regierungsrat weiter. Bereits heute sei der Fäsenstaubtunnel während der Spitzenzeiten ausgelastet. Und in den kommenden Jahren sei mit einem weiteren Verkehrswachstum zu rechnen. «Ohne ausreichende Kapazität der Nationalstrasse wird die Staubildung zum Nachteil der Pendlerinnen und Pendler weiter zunehmen. In der Folge wird der Verkehr vermehrt auf das untergeordnete Strassennetz ausweichen», sagt Regierungsrat Kessler.
Ein weiteres Projekt, das einen sehr bekannten Stauschwerpunkte beseitigen will, betrifft die Strecke Le Vengeron–Coppet–Nyon. Die geplanten Arbeiten sehen eine Verbreiterung auf je drei Fahrspuren sowie neue Zubringer vor. Damit sollen nicht nur der Verkehrsfluss auf der chronisch verstopften A1 zwischen Lausanne und Genf verbessert werden, sondern auch der Ausweichverkehr auf den Kantonsstrassen und durch die Dörfer wirksam reduziert werden. Klar scheint jetzt schon, dass die Abstimmung im Herbst hitzig werden dürfte. Trotz ausgewiesener Notwendigkeit der Ausbauprojekte wird der Ausbauschritt 2023 von den Referendumsbefürwortern als übertrieben bezeichnet. Ein Argument, das die angefragten Regierungsräte nicht gelten lassen. Und letztlich zeigt auch das Beispiel Gubrist, dass neue Infrastrukturen durchaus zu der gewünschten Wirkung führen.
1. Le Vengeron–Coppet–Nyon (GE/VD)
Auf einer Länge von neunzehn Kilometern zwischen der Verzweigung Le Vengeron und dem Anschluss Nyon wird die Autobahn auf drei Fahrstreifen pro Fahrtrichtung verbreitert. Realisierung: frühestens ab 2033. Kosten: 956 Millionen Franken
2. Wankdorf–Schönbühl (BE)
Auf der A1 zwischen Wankdorf und Schönbühl sollen vier Spuren pro Richtung zur Verfügung stehen und auf der A6 bis zum Anschluss Schönbühl drei Spuren. Realisierung: frühestens ab 2027. Kosten: 253 Millionen Franken
3. Schönbühl–Kirchberg (BE)
Die A1 soll von heute vier auf künftig sechs Fahrstreifen ausgebaut werden. Realisierung: frühestens ab 2033. Kosten: 239 Millionen Franken
4. Rheintunnel Basel (BS)
Der Rheintunnel soll das untergeordnete Strassennetz der Agglomeration Basel entlasten. Dies eröffnet Möglichkeiten für den ÖV und den Langsamverkehr. Realisierung: frühestens ab 2029. Kosten: 1,873 Milliarden Franken
5. Zweite Röhre Fäsenstaubtunnel (SH)
Auf der A4 zwischen Schaffhausen-Süd und Herblingen soll es durchgehend je zwei Fahrstreifen geben. Zentrales Element des Projekts ist der Bau einer zweiten Röhre des Fäsenstaubtunnels. Realisierung: frühestens ab 2030. Kosten: 393 Millionen Franken
6. Dritte Röhre Rosenbergtunnel (SG)
Die dritte Röhre des Rosenbergtunnels ermöglicht die Sanierung der bestehenden Tunnelröhren und stellt den langfristigen Betrieb der Stadtautobahn sicher. Realisierung: frühestens ab 2030. Kosten: 1,244 Milliarden Franken
Text: Dino Nodari
Fotos: ldd, grafik iStock/Touring
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