Künstliche Intelligenz (KI) dürfte schon bald Einzug in unseren Alltag halten – oder hat es bereits getan. Wie sich dies auf die Mobilität auswirken wird, ist zumindest schon schemenhaft zu erahnen. Wir werden wohl weniger im Stau stehen, unsere Infrastrukturen dürften sicherer sein, und zu guter Letzt dürfte auch das Steuerrad nicht mehr nötig sein. Zwar sind autonome Fahrzeuge noch Zukunftsmusik, doch Postauto hat mit den Smartshuttles in Sion und dem Gepäckroboter Robi in Saas-Fee schon zwei Pionierprojekte auf die Strasse gebracht.
Damit KI-Systeme funktionieren, braucht es den Rohstoff Daten, Rechenleistung in Form von Sensoren und Computerchips sowie Algorithmen. Spielen diese drei Dinge zusammen, können sie ziemlich jeden Bereich unseres Lebens grundlegend verändern. «Viele Methoden im KI-Bereich sind schon seit Jahren verfügbar, und wir setzen diverse davon seit rund fünf Jahren ein», sagt etwa Katharina Merkle von Postauto. Darunter versteht die Mediensprecherin den Einsatz von deskriptiven Statistiken bis hin zur generativen KI. «Wir machen gute Erfahrungen damit. Zum Beispiel erstellen wir Prognosen für den Energieverbrauch künftiger Elektrobuslinien. Oder wir optimieren die Abstellorte von Postautos, um weniger Leerfahrten machen zu müssen. Dies schont die Umwelt, den Aufwand und die Ausgaben», so Merkle.
«Künstliche Intelligenz spielt eine entscheidende Rolle beim automatisierten Fahren. Sie hilft mit, die Sicherheit, Effizienz und Anpassungsfähigkeit von selbstfahrenden Fahrzeugen im komplexen Strassenverkehr zu verbessern», sagt Katharina Merkle. KI-gesteuerte Systeme etwa würden den Verkehr flüssiger machen, indem sie Daten aus verschiedenen Quellen nutzen, um Staus zu minimieren. In komplexen Verkehrssituationen können die automatisierten Fahrzeuge dank KI zudem klügere Entscheidungen treffen, und die KI kann auch helfen, den CO₂-Ausstoss im Verkehr zu verringern. Die Projekte zum automatisierten Fahren wurden beendet, da noch keine verlässliche Technologie vorhanden war. «Dies ändert sich nun wegen der rasanten Entwicklung in den USA und in China spürbar», sagt Merkle.
«Die SBB nutzen die Chancen der Prozessautomatisierung, welche sich aufgrund der Verfügbarkeit von Daten, Rechenkapazität und Algorithmen ergeben, und verbessern so ihren Bahnbetrieb weiter. Insbesondere in der Bahnproduktion kommen Optimierungsalgorithmen zum Einsatz», sagt SBB-Mediensprecher Martin Meier. Die Bundesbahnen haben zum Beispiel 2021 geprüft, ob bei der Schienennetzwartung KI zum Einsatz kommen könne. Durch den Einsatz eines Spezialzuges könnte die manuelle Überprüfung der Schienen bald überflüssig werden. Kameras liefern dabei die Daten, die durch eine KI analysiert wird.
KI soll künftig auch Staus auf unseren Strassen analysieren und Prognosen erstellen. Der TCS trainiert dafür zurzeit eine KI mit Daten des Verkehrsinformationsdienstes Viasuisse, wie Eric Moreau sagt. Der Leiter Digital Services beim TCS erklärt, dass letztendlich eine App Aufschluss darüber geben soll, ob es sich lohnt, gleich loszufahren oder noch ein paar Minuten zu warten. «Es ist ja nicht immer so, dass immer am Freitag um siebzehn Uhr der grösste Verkehr herrscht. Um das besser vorhersagen zu können, werden historische Verkehrsdaten, aber auch das aktuelle Wetter, Ferienzeiten oder auch grössere Events berücksichtigt. Und in Zukunft könnte vielleicht auch der Verkehrsfluss in Echtzeit in die KI einfliessen», so Moreau. Eine erste Version der Stauprognosen-App dürfte im nächsten Jahr zur Verfügung stehen.
Sicher ist, dass die disruptive Technologie der künstlichen Intelligenz seit einigen Monaten mit unglaublicher Vehemenz in unser Bewusstsein drängt und dabei Raum für grosse Hoffnungen und mindestens genauso grosse Ängste bietet. Dabei nutzen wir alle längst KI, etwa wenn uns Netflix aufgrund unseres Nutzungsverhaltens eine neue Serie vorschlägt oder wenn wir uns mit Googles Alexa oder Apples Siri unterhalten. Diese schwachen Formen (siehe Box) der KI erlebten einen ersten grossen Moment vor 26 Jahren, als der Computer Deep Blue den Schachweltmeister Garri Kasparov besiegte. Mit dem Chatbot ChatGPT oder Bildgeneratoren wie Midjourney wurde Ende des letzten Jahres die nächste Hürde, die sogenannte generative KI, genommen.
Der Neurowissenschaftler und Tech-Unternehmer Pascal Kaufmann gehört zu den führenden Köpfen im Bereich künstliche Intelligenz. Er ist überzeugt, dass KI in den nächsten Jahren enorme Veränderungen auslösen wird.
Wie würden Sie Intelligenz definieren?
Pascal Kaufmann: Ich halte mich da an den Schweizer Psychologen Jean Piaget. Demnach haben wir Menschen drei Hirne. Das mächtigste davon ist unser Genpool. Viele Tiere zeigen bereits ab Geburt ein reichhaltiges Verhaltensrepertoire: Sie können schwimmen, laufen, sich ernähren oder jagen, wir Menschen können ab Geburt atmen, ohne dass uns das beigebracht wurde.
Das zweite Hirn ist die Kultur, in der wir aufwachsen, alles, was Menschen erschaffen haben, was wir unseren Kindern mitgeben. Und das dritte Hirn liegt tatsächlich zwischen unseren Ohren. Gemäss Jean Piaget brauchen wir Intelligenz erst dann, wenn alle drei Gehirne nicht mehr weiter wissen. Intelligenz ist also das, was wir brauchen, wenn wir nicht mehr wissen, was zu tun ist –
etwa in einer komplett unbekannten Situation.
Können Sie sich den Hype um KI erklären?
Es ist tatsächlich ein unglaublicher Hype, wahrscheinlich sogar der grösste Hype, den es je gegeben hat. Hunderte Millionen Menschen auf der Welt können nun erahnen, was künstliche Intelligenz dereinst wirklich sein könnte. ChatGPT kommt dem nämlich schon sehr nahe.
Das ist also noch nicht wirklich KI?
Nein, bei ChatGPT wird menschliche Intelligenz systematisch aus dem Internet gesammelt, in Computern quasi konserviert und mittels Dialogen neu kombiniert wieder herausgegeben. Letztendlich unterscheiden sich Chatbots nicht wesentlich von eindrücklichen Taschenrechnern. Diese Maschine weiss aber nicht, was sie schreibt, und sie hat keine Autonomie oder Intelligenz, die auf Neuartiges reagieren können. ChatGPT ist dennoch sehr beeindruckend, und wir brauchen diese Technologie unbedingt. Aber wonach die Wissenschaft seit jeher sucht, ist menschenähnliche KI. Etwas, das neugierig ist wie ein Mensch, das neue Dinge gestaltet und die grossen Probleme der Menschheit zu lösen hilft. Das ist etwas anderes als reaktive Taschenrechnertechnologie.
Wann werden wir diese Intelligenz auf menschlichem Niveau haben?
Wir haben uns bei der Mindfire-Gruppe das Ziel gesetzt, es bis 2029 zu schaffen. Wenn wir es bis dahin nicht schaffen, wird es vermutlich jemand anderem gelungen sein. In dieser Dekade wird im KI-Bereich enorm viel erreicht und das Rennen um KI entschieden werden. Das wird der Mondlandungsmoment des 21. Jahrhunderts.
Und wenn es gelingt: Was kann dann damit gemacht werden?
Wir können ein goldenes Zeitalter erschaffen, das Paradies auf Erden quasi. Die vom Menschen gemachten Probleme könnten gelöst werden, unheilbare Krankheiten würden kein Todesurteil mehr darstellen, Ressourcenknappheit gehörte der Vergangenheit an, die grossen Rätsel der Wissenschaft könnten gelöst werden. Fast niemand müsste mehr arbeiten gehen, der das nicht will, denn das würden Maschinen für uns übernehmen, da diese die meisten Arbeiten viel effizienter und günstiger erledigen könnten.
Das ist sehr schwer vorstellbar.
Stimmt. Aber vor einigen hundert Jahren hätte sich auch niemand vorstellen können, dass in der Zukunft nur acht Stunden am Tag gearbeitet werden müsste. Allerdings glaube ich auch nicht, dass acht Milliarden Menschen sich die Hand reichen und Kumbaya singen werden. Unsere Gehirne, welche sich über Millionen von Jahren entwickelt haben, sind nicht dafür ausgelegt, komplexe abstrakte Probleme der Mathematik zu lösen oder die Komplexität biologischer Prozesse zu verstehen. Mit unseren uralten Gehirnen werden wir uns wohl weiterhin gegenseitig bekämpfen und mehr Probleme schaffen, als wir zu lösen imstande sind. Daher bin ich überzeugt, dass es ein Upgrade zur menschlichen Intelligenz braucht und so viel Gutes entstehen kann. Die Automatisierung von Intelligenz kann ein extrem mächtiges Werkzeug sein, das in den falschen Händen viel Unheil und in den richtigen Händen viel Gutes bewirken kann. KI darf nicht von diktatorischen Regimen oder von Tech-Konzernen beherrscht werden, es braucht einen dritten Weg, nämlich KI für den Menschen zu bauen – eine grosse Chance für die Schweiz und Europa.
Sie sind Mitgründer und Verwaltungsratspräsident von AlpineAI, das gerade SwissGPT lanciert hat. Was steckt dahinter?
Als der Hype um ChatGPT Ende des letzten Jahres begann, hat Mindfire führende europäische Forscher nach Zürich eingeladen. Die meisten waren überrascht, wie weit die Amerikaner im Bereich der GPT-Technologie sind und wie rasend schnell Menschen weltweit diese Technologie anwenden. Aufgrund dieses Treffens wurde entschieden, SwissGPT als Antwort zu entwickeln. Dahinter steht die neu gegründete Schweizer Firma AlpineAI, die zum Ziel hat, diese Technologie zu verstehen, anzuwenden und nicht einfach aus Amerika zu beziehen. Bei vielen grossen Durchbrüchen aus den USA haben nämlich Forscher aus der Schweiz und Europa mitgewirkt, ohne kommerziell etwas davon zu haben. Dies wollen und müssen wir ändern.
SwissGPT ist also eine Alternative zu ChatGPT?
SwissGPT fokussiert auf den Einsatz innerhalb von Firmen, in welchen es kritisches Know-how gibt, das geschützt werden sollte. SwissGPT erhebt nicht illegal beliebige Daten, wir legen viel Wert auf Nachvollziehbarkeit oder auf die Einhaltung von Standards zur Regulierung künstlicher Intelligenz. Wir können das Produkt so massschneidern, dass wir den neuesten Regulierungsanforderungen genügen und dass Firmen ihr eigenes Firmen-GPT selbst betreiben und vollends kontrollieren können.
Wie wichtig ist dabei der Standort Schweiz?
Bei KI ist viel Geld im Spiel, deshalb interessieren sich Unternehmen und Regierungen dafür, die Monopole aufbauen wollen. Mit KI wird auch Kultur beeinflusst, indem definiert wird, welche Inhalte gezeigt werden und welche nicht, was richtig und was falsch ist. Bei ChatGPT ist das die Kultur von vorwiegend weissen Menschen aus dem Silicon Valley. In der neutralen Schweiz sind wir es gewohnt, kluge Leute zusammenzubringen. Eben weil wir klein sind, müssen wir andere Wege finden, um in einem globalen Markt zu bestehen. Die Forschung hier ist exzellent, weil wir durch die Lebensqualität, die Infrastruktur und die guten Schulen Talente aus der ganzen Welt anziehen. Es ist deshalb auch kein Zufall, dass Google, Microsoft, Meta, IBM und viele andere Forschungszentren in der Schweiz haben. Die Kommerzialisierung dieses Wissens sollten wir nicht anderen überlassen. Dem alten Kontinent und insbesondere der Schweiz könnte nochmals eine wichtige Rolle zufallen: menschenähnliche KI zu entwickeln, zum Wohle des Menschen.
In welchem Bereich werden wir durch KI als Erstes Durchbrüche spüren?
Das wird wohl die Spitzenforschung sein. Bisher haben Forscher jahrzehntelang Proteinanalysen gemacht und Kristallstrukturen untersucht. Ganze Forscherkarrieren wurden teils repetitiven Fleissarbeiten gewidmet. Solche Arbeiten könnten in Zukunft noch Sekunden dauern, der Mensch stellt die Fragen, die Maschine löst diese.
Und was ist mit der Mobilität?
Die Mobilität wird durch KI und selbstfahrende Fahrzeuge extrem verändert und vereinfacht werden. Wenn wir eines Tages nicht mehr selbst fahren müssen, könnten wir viel Zeit sparen. Fahrzeuge stünden rund um die Uhr zur Verfügung. Ich glaube auch, dass zukünftig vieles mit Drohnen geregelt werden wird. Bis selbstfahrende Fahrzeuge Realität werden, braucht es wohl aber bedeutende Durchbrüche bei der KI.
KI ist also eine Voraussetzung für autonomes Fahren?
Ja, so, wie es heute aussieht, braucht es menschliche Intelligenz dafür. Wir werden autonome Fahrzeuge wohl zuerst in der Luft sehen mit Drohnen und dann auf der Schiene und erst ganz am Schluss bei den Autos. Eher noch könnte ich mir ferngesteuerte Autos vorstellen, welche von Menschen als Service bedient werden, der Taxifahrer quasi, der zu Hause am Computer das Auto des Kunden steuert.
Elon Musk sagte, KI sei gefährlicher als Atombomben. Sehen Sie das auch so?
Das ist US-Marketing in Reinkultur. Wenn man Aufmerksamkeit generieren will, wird oftmals mit Ängsten und überzogenen Szenarien gespielt. Wir Menschen haben oft Angst vor Dingen, die wir nicht verstehen. Die meisten KI-Experten, die wissen, was der Stand heutiger Algorithmen ist, haben keine Angst vor künftigen KI-Entwicklungen. Wir bauen ja auch Bagger, die grosse Löcher graben können, haben aber keine Angst davor. Ein Bagger schaufelt das Loch genau da, wo wir es ihm sagen, und genau gleich verhält es sich mit KI. Wir bauen bei der KI doch keinen freien Willen und Autonomie ein, das machen wir bei den Baggern auch nicht. Wenn wir eine neue Spezies bauen, die viel intelligenter und stärker ist als wir, dann hätten wir tatsächlich ein Problem. Eher glaube ich aber, dass der Mensch mit der Technologie mitwachsen und sich weiterentwickeln wird.
Text: Dino Nodari
Fotos: Emanuel Freudiger
KI-Illustrationen: Alban Seeger mit Dream by Wombo
«Beängstigend gut»
Generative KI ist eine Technologie, bei
der Computer aus grossen Datenmengen lernen und dann eigenständig Inhalte erstellen können. Zum Beispiel kann sie basierend auf vielen Texten neue schreiben, Bilder malen oder Musik komponieren. Sie erkennt Muster und Zusammenhänge, ahmt menschliche Kreativität nach und erzeugt vielfältige Werke, die überraschend echt wirken.
Die vorangehenden drei unredigierten Sätze hat Chat GPT formuliert und sie zeigen, was generative KI heute schon in der Lage ist zu leisten. «ChatGPT ist beängstigend gut. Wir
sind nicht weit entfernt von einer gefährlich starken KI», sagte Elon Musk im letzten Dezember, um kurz darauf mit tausend anderen Persönlichkeiten eine Denkpause zu fordern, um sich genauer mit den Risiken auseinanderzusetzen. In der Zwischenzeit ist es ChatGPT gelungen, hundert Millionen Nutzer in nur zwei Monaten zu erreichen. Zum Vergleich: Das Telefon brauchte dafür 75 Jahre.
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