Fährt man über Land, fallen da und dort Plakate auf, die davor mahnen, Abfall achtlos wegzuwerfen. Wird dieser von den Kühen gefressen, können die Nutztiere dabei verenden. Das Littering ist – sei es am Strassenrand, auf Wanderwegen oder sonst irgendwo – ein leider weitverbreitetes Übel. Wie schlimm die Situation tatsächlich ist, wollte das «Touring»-Team genau wissen und nahm, ausgerüstet mit Greifzange und Kehrichtsäcken, verschiedene Strassenabschnitte in der Schweiz unter die Lupe. Susanne Troxler sammelte entlang einer Hauptstrasse am Greifensee im Kanton Zürich innert kürzester Zeit auf einer Strecke von etwas über einem Kilometer fünf Kilogramm Müll ein. Darunter nebst Zigarettenstummel, PET- und Glasflaschen viel Verpackungsmaterial und Haushaltsmüll. Auf einer weiteren Strecke im Kanton Luzern sah es nicht besser aus – immerhin kamen «nur» zwei Kilogramm zusammen. Ähnlich ging es Daniel Riesen, der im Kanton Freiburg auf einer Hauptstrasse unterwegs war: Kurzum war der Kehrichtsack voll mit denselben Gegenständen wie bei Susanne Troxler. Im Berner Oberland das gleiche Bild. Der Autor kam genau 400 Meter weit, dann war die Zehn-Liter-Tüte voll. Was bei allen untersuchten Strecken markant war, waren die unzähligen Zigarettenstummel, viele PET-Flaschen und Aludosen.
Littering ist, wenn jemand kleine Mengen Siedlungsabfall achtlos wegwirft oder einfach irgendwo liegen lässt, was illegal und leider weit verbreitet ist. Das Bild, welches das «Touring»-Team antraf, wird von den Abfallstatistiken bestätigt: Am häufigsten gelittert werden Zigarettenstummel (66 Prozent) und Verpackungen von Chipstüten über PET-Flaschen bis Aludosen (29 Prozent). Gemäss Bundesamt für Umwelt (Bafu) sind die Ursachen dafür vielfältig. Dazu gehören unter anderem veränderte Konsum- und Ernährungsgewohnheiten, Mobilität, aber auch das Freizeitverhalten. Der öffentliche Raum und die freie Natur werden zum mobilen Raum. Viele Aktivitäten verlagern sich aus den eigenen vier Wänden in die Öffentlichkeit. Der Lunch wird in einem Park eingenommen, Snacks während der Autofahrt gegessen und Partys am Seeufer gefeiert.
Ein weiterer Grund definiert das Bundesamt in der geringen sozialen Kontrolle im öffentlichen Raum, das heisst, Anonymität erhöht die Wahrscheinlichkeit des Litterings. Ein Phänomen, das durch Gruppeneffekte verstärkt werden kann. Die persönliche Werthaltung trägt wesentlich zum Littering bei. Dinge, die einen Wert haben, werden nicht zurückgelassen, und Orte, zu denen eine persönliche Verbindung besteht, werden weniger verschmutzt. Es wird auch nicht überall und zu jeder Zeit gleich viel gelittert. In lauen Sommernächten in Erholungszonen wird mehr achtlos weggeworfen als an Plätzen mit Durchgangscharakter. Kurz: Die Ursache liegt im Verhalten des Menschen, schreibt das Bafu.
Wir haben auf einer Entsorgungsstelle eine anonyme Umfrage gemacht. Einige geben zu, Abfall achtlos aus dem Auto geworfen zu haben. Wie vermutet, sind es vor allem Raucher, die ihre Kippen am Strassenrand entsorgen. «Ich mache das seit Jahren, habe mir darüber nie gross Gedanken gemacht», sagt ein Mann Mitte vierzig. Ein anderer meinte, ich bezahle Steuern, da sei die Reinigung ja bezahlt. Eine Frau erklärte, sie wolle ihr Auto nicht mit Abfall verschmutzen, also werfe sie ihn aus dem Fenster. Immerhin versprachen die meisten der Gefragten, ihr Littering-Verhalten zu überdenken.
Exakte Zahlen über achtlos weggeworfenen Müll in der gesamten Schweiz gibt es nicht. Das Bafu beziffert die Reinigungskosten auf jährlich ungefähr 200 Millionen Franken. Davon entfallen etwa 150 Millionen auf die Gemeinden und rund fünfzig Millionen Franken auf den öffentlichen Verkehr. Dazu kommen Ausgaben für Prävention und Aufklärung. Im erweiterten Sinne gäbe es auch sozioökonomische Schäden zum Beispiel für den Tourismus.
Genauere Zahlen zum Littering liefert hingegen das Bundesamt für Strassen Astra: In dessen «Bericht betrieblicher Unterhalt Nationalstrassen 2022» steht, dass auf den Nationalstrassen mit einer Gesamtlänge von 2259 Kilometern die kantonalen Tiefbauämter im 2022 rund eine Tonne Abfall pro Kilometer eingesammelt haben. Dazu kommen noch 3300 Tonnen, die auf den Rastplätzen ordentlich entsorgt wurden. «Der Aufwand im Bereich der Fahrbahnreinigung wird zunehmend grösser, und das Littering nimmt bedauerlicherweise weiterhin stark zu. Die Unsitte, Abfälle im öffentlichen Raum achtlos wegzuwerfen oder liegen zu lassen, ist insbesondere auf stark befahrenen Strecken und in den Anschlussbereichen ein immer grösser werdendes Problem», schreibt Jürg Röthlisberger, Direktor Astra, im Bericht.
Auch Stefan Studer, Kantonsoberingenieur und Amtsvorsteher Tiefbauamt Kanton Bern, stellt eine Zunahme des Litterings entlang der Kantonsstrassen fest. «In der Regel wird viermal jähr-lich der Abfall von Hand eingesammelt und entsorgt. Im Sinne eines effizienten Ressourceneinsatzes erfolgt die Abfallbeseitigung jeweils auch unmittelbar vor der Durchführung der Mäharbeiten», erklärt Studer. Dadurch könne gleichzeitig die ungewollte Abfallzerstückelung vermindert werden. Wie viel Abfall dabei zusammenkomme, werde nicht erhoben. «Im Kanton Waadt waren die Mitarbeiter des Tiefbauamtes letztes Jahr 31 000 Stunden unterwegs, um 135 Tonnen Abfall entlang der Kantonsstrassen einzusammeln», erklärt Charlotte von Euw, Pressesprecherin der Direktion Mobilität und Strassen des Kantons Waadt. 2022 hätten die Gesamtkosten für die Strassenreinigung inklusive des Beseitigens von Littering-Abfällen und Leeren der Abfalleimer 3,6 Millionen Franken betragen. Pressesprecherin von Euw kann nicht präzise sagen, ob Littering zugenommen hat. «Subjektiv gesehen, gehen wir aber von einer Zunahme aus.»
Besonders in Städten ist Littering ein Dauerthema. Die Bundesstadt beispielsweise lancierte 2008 die Kampagne «Subers Bärn – zäme geits!». Prävention, Zusatzreinigung und Repression sind die Eckpfeiler dieser Kampagne. So fanden 2022 in 58 Schulen Umweltunterricht statt, wurden wegen Littering 107 Ordnungsbussen verteilt.
In Bern kann Littering teuer werden: von vierzig Franken für einen Zigarettenstummel über achtzig Franken für Hundekot bis zu 300 Franken für einen unkorrekt entsorgten Hundert-Liter-Kehrichtsack. Ferner veranstaltete die Freiwilligenorganisation Trash Hero Bern neun Clean-ups in der Stadt. So zogen im letzten Jahr 250 Schülerinnen und Schüler durchs Marziliquartier und füllten zwölf 35-Liter-Säcke mit Abfall. Nebst 151 PET-Flaschen, 138 Glasflaschen und über 240 Aludosen lasen die Trash Heroes 9317 Zigarettenstummel auf.
Laut Christoph Mahlstein, Mediensprecher Entsorgung und Recycling der Stadt Zürich, kamen 2023 in der grössten Schweizer Stadt ungefähr 610 Tonnen Littering-Abfall zusammen. Das sind rund sieben Prozent des gesamten Abfalls von 8620 Tonnen auf öffentlichem Raum, wobei Wischgut wie Laub, Äste und Kies mitgerechnet sind. Am häufigsten weggeworfen werden Getränkebüchsen, Einwegverpackungen, Glasflaschen, Pizzakartons und Zigarettenstummel. Das vor allem in der Ausgehmeile Langstrasse, am Seeufer und auf belebten Plätzen und Grünanlagen. Zürich wie auch Bern und zahlreiche andere Schweizer Städte, Orte und Schulen erhalten für ihr Engagement gegen Littering das No-Littering-Label vom Schweizerischen Kompetenzzentrum gegen Littering (IGSU).
Bedenklich ist die Situation auch an Gewässern. Das zeigt eine nationale Studie, wo Dutzende Helferinnen und Helfer zwischen März 2020 und Mai 2021 in verschiedenen Landesteilen 143 See- und Flussufer durchkämmt haben. Zudem wurden an zwanzig Standorten von sieben grossen Seen monatlich Erhebungen durchgeführt: Zürich-, Genfer-, Bieler-, Neuenburgersee, Lago Maggiore, Thuner- und Walensee. Dabei wurden insgesamt 54 744 Objekte eingesammelt und dokumentiert. Am häufigsten kamen Zigarettenfilter (8485 Stück), gefolgt von fragmentierten Kunststoffen (7400 St.) und Styroporteilen (5563 St.) vor. Danach geht die Liste weiter mit Kunststoffverpackungen von Süssigkeiten und Snacks (3325 St.) wie beispielsweise Schokoriegeln. Platz fünf und sechs belegen Industriefolien aus Kunststoff (2534 St.) und Bruchstücke von Getränkeflaschen aus Glas (2136 St.). Die Plätze sieben bis zehn werden von Kunststoffgranulaten aus der Industrie (1968 St.), Isolationsschäumen (1702 St.), Wattestäbchen (1406 St.) und Schaumstoffen (1209 St.) belegt. Weiter werden auch Bauabfälle aus Kunststoff (992 St.) sowie Flaschenverschlüsse aus Metall (700 St.) häufig an Ufern gefunden.
Besonders problematisch sind in den Gewässern und auf dem Land die Kunststoffe. Gemäss Erhebungen des Bafu werden davon jährlich gegen 2700 Tonnen weggeworfen. Dies ist besonders gravierend, weil Kunststoffe nur langsam zu Mikroplastik zerfallen und nicht abgebaut werden. Mikroplastik verbleibt bis zu mehreren Jahrzehnten in der Umwelt. Sie schaden Lebewesen durch Verletzungen im Magentrakt oder Vergiftungen.
Das Bafu ist überzeugt, dass Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung mit Inseraten und Plakaten sowie Information und Bildung in Schulen die grösste Wirkung gegen Littering zeigen. Man müsse beim Verhalten der Menschen ansetzen, schreibt das Bundesamt. Dazu kommen Sanktionen wie Littering-Bussen, für welche in einigen Kantonen und Städten die gesetzliche Grundlage geschaffen wurde. «In der Praxis ist es sehr schwierig, einen Täter in flagranti zu erwischen und zu büssen», sagt Stefan Studer vom Kanton Bern. Bern wie auch Waadt setzen stark auf Aktionen mit Präventivcharakter. Für die Kantone ein wichtiges Instrument ist die Informationsplattform littering-toolbox.ch, wo Erfahrungen unter den Akteuren ausgetauscht werden. Dabei unterstützt das Bafu die zuständigen Behörden beispielsweise mit einem runden Tisch und der Umsetzung von Massnahmen. Ferner gibt es sogenannte Raumpatenschaften, wo Raumpaten die Verantwortung für öffentliche Räume wie Schulhausplätze übernehmen und sie reinigen. Eine wichtige Rolle bei der Prävention und Aufklärung spielt das Schweizer Kompetenzzentrum gegen Littering (IGSU).
Mit Präventionskampagnen, Clean-up-Days und Botschaftern setzt sich das Schweizer Kompetenzzentrum gegen Littering (IGSU) seit 2007 ein. Geschäftsführerin Nora Steimer stellt eine Abnahme des Litterings fest, doch betont sie die Wichtigkeit der Kampagnen.
Welche Anti-Littering-Massnahme zeigt aus Ihrer Sicht die beste Resonanz?
Nora Steimer: Es braucht Prävention, Intervention und Repression zur erfolgreichen Bekämpfung dieses eigentlichen Volksübels sowie gute Nerven und Geduld. Bewährt haben sich die IGSU-Botschafterinnen und -Botschafter, die vor Ort in persönlichen Gesprächen über den korrekten Umgang mit Abfall und rezyklierbaren Wertstoffen aufklären. Wirkung zeigt die Informationsarbeit sowie Beratung von Gemeinden und Schulen. Und auch gemeinsame Aktionen wie der Clean-up-Day sind sinnvoll.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit Schulen und Botschaftern?
Unsere Botschafterinnen und Botschafter sind seit vielen Jahren das ganze Jahr über an Schulen aktiv und setzen vom Kindergarten bis zur Berufsschule stufen- und zielgruppenspezifische Workshops durch. So können alle Schüler altersgerecht sensibilisiert werden und fungieren oftmals nach den Workshops als Multiplikatoren, indem sie die Botschaft bei den Eltern oder Freunden weiterkommunizieren. Zudem sind die Botschafterteams an Littering-Hotspots im öffentlichen Raum präsent und motivieren die Passanten auf witzige, humorvolle Weise für das korrekte Entsorgen.
Benötigen wir hohe Bussen gegen Littering?
Bussen alleine können das Littering-Problem nicht lösen, sie sind aber eine mögliche Massnahme in einem Massnahmenmix. Sie trifft direkt den Verursacher und ist daher positiv zu bewerten. Die Ankündigung hat präventiven Charakter und zeigt, dass Littering nicht toleriert wird. In der Realität sind Bussen aber nicht so einfach umsetzbar und werden daher relativ selten ausgesprochen. Bisher gibt es keine Untersuchungen, die zeigen, ob die Höhe der Bussen einen direkten Einfluss auf die Wirksamkeit der Massnahme hat.
Wie viel Abfall kommt jeweils an Ihren Clean-up-Day-Aktionen zusammen?
In den vergangenen Jahren konnten wir schweizweit jeweils bis zu 750 Aktionen verzeichnen, mit insgesamt bis zu 60 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Das Bewusstsein für die Littering-Problematik wird so in der Bevölkerung gefördert, was mittel- und langfristig zu mehr Sauberkeit und Lebensqualität führen wird. Dabei werden jeweils mehrere Tonnen Abfälle und Wertstoffe eingesammelt und korrekt entsorgt oder rezykliert.
Wird aus Ihrer Sicht in der Schweiz genug gegen das Littering gemacht?
Verändertes Freizeitverhalten, zunehmender Unterwegskonsum und steigende Bevölkerungszahlen führten in den Nullerjahren zu vermehrtem Littering. Teilerhebungen deuten darauf hin, dass der Unterwegskonsum allein in den letzten zehn Jahren um rund 25 Prozent zugenommen hat. Aktuell ist das Ausmass an Littering aber stabil, und es gibt keine Zunahme mehr.
Also zeigen Ihre Massnahmen Wirkung?
Ja, absolut, aber dennoch ist wichtig, dass die Massnahmen seitens Gemeinden, Schulen, IGSU und weiteren Akteuren unbedingt weitergeführt werden. Nur so können das aktuelle Niveau beibehalten und die positive Entwicklung weitergeführt werden.
Text: Felix Maurhofer
Fotos: Emanuel Freudiger
Littering
Vermüllung (englisch littering) bezeichnet die Verschmutzung von Flächen und Räumen durch Müll. In der Regel infolge des achtlosen Wegwerfens und Liegenlassens von Abfall, vorzugsweise auf öffentlichem Grund, das heisst, insbesondere auf Strassen und Plätzen, in Parks und in der offenen Landschaft. Es handelt sich dabei um ein strafrechtlich verfolgbares Delikt und kann mit Geldbussen oder bei illegalen Mülldeponien sogar mit Haft geahndet werden.
Auswirkungen von Littering
Das Littering hat nicht zu unterschätzende ästhetische, ökologische und ökonomische Auswirkungen. Sauberkeit ist ein Bestandteil für die Lebensqualität der Bevölkerung und das Image der Schweiz – sie gilt als extrem sauber. Insofern wird Littering als optische Belästigung wahrgenommen und beeinträchtigt somit die Qualität eines Lebensraumes. Weil gelitterte Materialien sich nicht in Stoffkreisläufe zurückführen lassen und –amit der Wiederverwertung entzogen werden, hat Littering grosse ökologische –Auswirkungen. Die Gefährdung für die Natur, insbesondere Tiere und Pflanzen ist nicht zu unterschätzen.
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