Einweg-Pendlerstrecken von mehr als 30 Kilometern dürften selbst geduldigen Menschen zu lang dauern, um sie mit einem E-Velo zu absolvieren. Wenn der ÖV zu kompliziert ist und das Auto nicht parkiert werden kann, könnte ein E-Roller das ideale Verkehrsmittel sein. Wenn auch ein Autobahnabschnitt dabei ist, bitte gerne einen mit genügend Leistung. Wer will schon Opfer von Dränglern werden?
Hier könnte Ray helfen. Das junge Unternehmen aus Barcelona baut als Erstlingswerk einen Elektroroller, der weder längeren Strecken noch höhere Tempi scheut. Zu fahren ist der Ray 7.7 mit dem Ausweis A1, der ab 16 Jahren zu erwerben ist; Autofahrende ohne «Töffbillett» benötigen für den Ausweis eine 12-stündige Praktische Grundschulung (PSG), aber keine Prüfung.
Ein Roller für 16-Jährige und doch autobahntauglich? Die Gesetzgebung für Elektrofahrzeuge macht’s möglich. Mit einer Dauerleistung von 14 PS (11 kW) erfüllt er das A1-Kriterium (wie ein Zweirad mit 125-ccm-Verbrennungsmotor), bietet aber mit einer Maximalleistung von 23 PS (17,5 kW) satte Leistungsreserven. Es fühle sich an wie ein 300er, wirbt Ray, und übertreibt damit nicht. Tatsächlich hält der Ray 7.7 selbst an einer längeren Steigung das erlaubte Autobahntempo mühelos. Die Höchstgeschwindigkeit wird vom Hersteller mit 125 km/h angegeben.
Die lebendige Motorisierung ist auch im Verkehrsgewühl geniessbar, wo zügige Ampelstarts mit dem nicht allzu schweren Roller (165 kg) ebenso Vergnügen bereiten wie schwungvolle Sprints nach dem Kreisverkehr. Wer Vertrauen in die Haftfähigkeit der Pneus gewinnt, dürfte dabei recht bald mit der beschränkten Schräglagenfreiheit des Ray konfrontiert werden – Metall raspelt Asphalt. Allerdings: Tiefe Schräglagen gehören nicht zur Kernkompetenz eines effizienten Personentransporters.
Schlägt das motorische Temperament auf den Verbrauch? Basis sind die netto 7,7 Kilowattstunden – daher der Modellname – fassenden Li-Ion-Akkus. Ray kündigt, je nach Fahrmodus, 100 bis 150 Kilometer an. Die Modi «City», «Sport» und «Flow», mit unterschiedlicher Leistung und Bremsrekuperation, lassen sich mit dem Daumen links während der Fahrt einstellen. Der Test-Roller hält das Reichweiten-Versprechen des Herstellers: Auf der gemischten TCS-Runde stehen nach 100 Kilometern im City-Modus 36 Prozent Batteriestand im Display, was eine Reichweite von insgesamt 157 km und einen rechnerischen Verbrauch von 4,9 kWh pro 100 km ergibt. Ohne Berücksichtigung des Ladeverlusts zahlt man somit für 100 Kilometer etwa 1.25 Franken am Ladeanschluss zu Hause. Wo mit 1,8 kW an der Haushaltsteckdose oder mit max. 3,3 kW am Typ-2-Stecker (Wallbox) geladen werden kann. An der Wallbox dauerte eine Ladung von 20 auf 80 % SOC 1 h 40 min.
Während bei anderen E-Rollern die Batterie auf Kosten des Stauraums geht, sorgen die seitlich angebrachten Akkupakete des Ray nicht nur für einen tiefen Schwerpunkt, sie lassen den Platz unter der Sitzbank für ein Staufach frei. Dies fasst einen Integralhelm knapp nicht, ein Jethelm lässt sich hier aber verstauen. Der Clou an der Sitzbank ist, dass sie sich in der Höhe auf drei Stufen einstellen lässt. Die tiefste Stellung freut Kurzbeinige. Die Sitzbank an sich ist bequem, durch die rollertypisch aufrechte Sitzhaltung ist auf Dauer aber Druck auf den Allerwertesten spürbar. Ausserdem ist die Sitzposition nur beschränkt variabel, entspannt strecken lassen sich die Beine nicht.
Sitzen bleiben heisst es, wenn es darum geht, den Ray auf den Zentralständer zu hieven. Das geht so: Den Knopf am linken Lenker für den Rückwärtsgang drücken, mit dem linken Fuss den Zentralständer auf den Asphalt pressen, fein dosiert «Gas» geben. So fährt sich der Roller mit Pilot/in nach hinten hoch. Klappt nach ein wenig Übung sehr gut, ausser das Gelände sei abschüssig. Dann wünscht man sich zusätzlich einen Seitenständer. Ist in Planung, heisst es bei Ray-Importeur eMotions-Switzerland.
Ein anderes Bauteil, das ebenfalls in Planung sein sollte, ist ABS. Die Fahrzeugkategorie L3e verlangt kein ABS, eine Kombibremse, am Ray über den Handhebel links bedient, genügt. Damit ist die Bremsleistung ordentlich, ein (höchst problematisches) Blockieren des Vorderrads ist auf trockener Fahrbahn kaum möglich. Und wenn das Rad hinten steht, ist das vorübergehend kein Grund für Alarm. Dennoch: Gerade angesichts des Alterslimits 16 sollte Ray für sein schnellen Zweirad in Bremsfragen unbedingt nachbessern.
Text: Daniel Riesen
Fotos: Emanuel Freudiger
Daten und Preise RAV 7.7
Preis Basismodell, mit 1,8 kW-Ladeanschluss: CHF 11'120.- (Normalpreis), CHF 10'620.- (TCS-Mitglieder auf touringshop.ch)
Mit 3,3-Kilowatt-Ladeanschluss:
CHF 12'620.- (Normalpreis) CHF 12'120.- (TCS-Mitglieder auf touringshop.ch)
Motor Permament erregter Synchron-Elektromotor, Nennleistung 11 kW (14 PS) und 60 Nm, Spitzenleistung 17,5 kW (23 PS).
Batterie Lithium-Ionen-Batterie, 7,7 kWh (netto), 8,8 kWh (brutto)
Höchstgeschwindigkeit 125 km/h
Gewicht 165 kg
Verbrauch/Reichweite 4,9 kWh/100 km / 157 km (im Test)
Pro
+ hohe Fahrdynamik
+ sehr ordentliche Reichweite
+ grosses Staufach
+ stabil und agil
+ nicht zu schwer, angenehm im Umgang
+ in der Höhe einstellbare Sitzbank
+ tiefe Betriebskosten
+ europäisches Produkt
Contra
- Eher teuer
- Federung vorn unterdämpft
- Kein ABS
- Kein Seitenständer
Nahezu die Hälfte nicht konform
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