«Touring» hat den Piloten beim Meisterschaftsfinale in Lignières durch die FPV-Brille geschaut.
Beim ersten Mal geht alles viel zu schnell. Gerade waren sie noch auf den Startblöcken, kaum ist der Startpiep erklungen, sind sie nicht mehr zu sehen. Obwohl der Hinweis «Pilots ready?» der Rennleitung den unmittelbaren Start ankündigt, können die ungeübten Augen den davonflitzenden Drohnen nicht folgen – kein Wunder bei Spitzengeschwindigkeiten von über 170 km/h. Nur das aggressive Surren, das an einen Bienenschwarm erinnert, deutet darauf hin, dass das Rennen in vollem Gange ist. Allmählich gewöhnen sich die Augen aber an die kleinen, flinken Flugobjekte mit den bunten LED-Lichtern, und hin und wieder sieht man sie durch die Hindernisse des Parcours sausen. Keine zwanzig Sekunden nach dem Start schwirren sie bereits wieder durch das Start-Ziel-Tor, um die nächste Runde in Angriff zu nehmen.
Das ist die eine, etwas anstrengende Art, wie man ein solches Rennen verfolgen kann. Die andere ist die Perspektive der Drohne beziehungsweise des Piloten. Jede der maximal 700 Gramm schweren Drohnen hat eine Kamera, die das Bild in Echtzeit auf die Brillen der Piloten, die Bildschirme vor Ort und die Livestreams im Internet übermittelt. Diese Pilotensicht nennt sich «First Person View», kurz FPV.
FPV-Drone-Racing ist ein Hochgeschwindigkeitsrennsport, welcher die virtuelle und die reale Welt verbindet. Die Pilotinnen und Piloten steuern ihre speziellen Renndrohnen, auch Quadcopter genannt, über eine Rennstrecke, auf der sie Hindernisse umfliegen oder durch Gates manövrieren müssen. Pro Lauf treten jeweils vier Piloten gegeneinander an. Das beste Quartett aus den Qualifikations- und Knock-out-Läufen ermittelt schliesslich im Finale den Sieger.
Zu den offiziellen Rennen der Swiss Drone League (SDL) sind nur die besten sechzehn Piloten zugelassen. Sie heissen «RiskYt», «TempleClause» oder «Downwind» und sind zwischen fünfzehn und 55 Jahre alt. Abwechselnd nehmen sie mit ihren FPV-Brillen auf den Rennstühlen Platz, von wo aus sie die Drohnen konzentriert und behutsam mit Daumen und Zeigefinger über die kleinen Hebel auf der Fernsteuerung durch den Parcours lenken. Zwischen den Läufen ziehen sie sich meistens in die Boxengasse zurück, um Teile zu ersetzen oder die Drohne nach einem der zahlreichen Crashs zu reparieren. Das Schrauben, Löten und Tüfteln gehört nämlich genauso wie das virtuelle Know-how zu dieser noch jungen Nischensportart, die Elemente aus dem E-Sport und Gaming, dem physischen Rennsport, Modellflug und aus der Elektrotechnik vereint. Die «Formel-E der Lüfte» kann im TV auf Blue Zoom, auf Youtube oder auf der SDL-Website mit spannenden Interviews, Analysen und Hintergründen mitverfolgt werden.
Der zurzeit beste Drohnenpilot der Schweiz kommt aus Liechtenstein. Marvin Schäpper alias «Marv_FPV» dominiert die Szene nun schon seit mehreren Jahren. Das Erstaunliche: Marvin feierte kürzlich seinen erst 16. Geburtstag. Gerade hat er eine Lehre als Elektroniker begonnen, wodurch er sein technisches Können aus der Drohnenwelt auch beruflich entfalten und weiterentwickeln kann.
Wie kein anderer steuert er seine Drohne ultraschnell und mit stoischer Ruhe und Zuverlässigkeit durch die von Rennen zu Rennen unterschiedlichen Parcours. In den gut vier Jahren, in denen er den Sport ausübt, hat er an über vierzig Rennen in der Schweiz, aber auch in Deutschland, den USA oder der Türkei teilgenommen. Dabei war er mehr als 25 Mal auf dem Podium. Sein Erfolgsrezept ist relativ simpel: «Ich trainiere relativ oft, weil es mir einfach Spass macht. Das kann mal draussen auf einem Feld sein oder drinnen am Simulator», so Marvin Schäpper. Das harte Training, gepaart mit einer guten Prise Talent lässt ihn buchstäblich von Sieg zu Sieg fliegen – so auch an diesem Tag, an dem er sich nicht nur den Tages-, sondern auch den Gesamtsieg holt und sich somit nach 2020 zum zweiten Mal Schweizer Meister nennen darf. 2021 fand pandemiebedingt keine reguläre Saison statt.
Das TCS-Race war das letzte von vier Rennen der SDL und gleichzeitig eine Premiere. Nach Dübendorf, Flums und Winterthur fand das grosse Finale auf dem geschichtsträchtigen TCS-Circuit de Lignières statt, der einzigen permanenten Rundstrecke der Schweiz. Hoch über dem Bielersee, wo einst Jo Siffert und Clay Regazzoni ihre Runden drehten und heute sportliche Fahrkurse und Veranstaltungen von TCS Training & Events stattfinden, wird an diesem Augustsonntag erstmals nicht auf dem Asphalt Gas gegeben, sondern darüber.
Für die Piloten wie auch für den Veranstalter ist es ein würdiger Schauplatz für das Saisonfinale. Joris Zahnd, Gründer der SDL, freut sich, dass sie das Rennen hier durchführen durften. «Der Renncharakter und die Racingatmosphäre kommen auf dieser Anlage noch stärker zum Tragen. Das verleiht dem Ganzen einen zusätzlichen Reiz.» Zudem habe es, anders als bei Indoorrennen, mehr Platz für herausfordernde Hindernisse und Topgeschwindigkeiten. «Und was uns sehr freut», so Zahnd, «ist, dass der TCS eine erweiterte Zusammenarbeit prüft.»
Text: Dominic Graf
Fotos: Raphael Hünerfauth
Nahezu die Hälfte nicht konform
Im Laufe von 2024 prüfte der TCS Fussgängerstreifen in der Nähe von Schweizer Bahnhöfen.
Gold für Gelb
Jeden Herbst wetteifern Pannenhelferinnen und Pannenhelfer aus allen Winden Europas um den Titel «Road Patrol Team of the Year».
Von Tieren und Traditionen
Der Archipel der Bijagós in Guinea-Bissau ist bei Touristen weitgehend unbekannt. Unter Meeresschildkröten und Flusspferden ...
Sultanat der Düfte
Mit seinen weiten Ebenen, majestätischen Bergen, kargen Wüsten und sogar Fjorden bietet der Oman eine atemberaubende landschaftliche Vielfalt..