Alte, auf Pfählen im Meer stehende Fischerhütten machen den Küstenabschnitt zwischen Ortona und Vasto besonders reizvoll. Statt mit dem Zug fährt man heute mit dem Velo die 42 Kilometer lange Via Verde an der Küste entlang. Wandern geht auch. Zwischendurch bietet sich eine Rast in einem zum Restaurant umgewandelten Trabocco an.
Gleich kurz nach Ortona rollen wir durch den ersten Tunnel. Da, wo früher Züge am Meer entlangfuhren, radeln, joggen und gehen jetzt Leute und geniessen die Sonne, die sich an diesem Tag ab und zu zeigt. Touristen sind im April noch kaum unterwegs. Die stillgelegte Eisenbahnstrecke zwischen Ortona und Vasto wurde zum Velo- und Spazierweg Via Verde und damit zum Anziehungspunkt in den Abruzzen. Die Region zwischen Adria und den Gebirgszügen Gran Sasso und Majella ist im beliebten Ferienland noch immer ein wenig ein Geheimtipp. Auch wenn jetzt viele Briten, Franzosen oder Deutsche aus der längst zu teuer gewordenen Toskana und auch aus den Marken weiter südwärts ziehen und sich in den Abruzzen Häuser und Wohnungen kaufen.
Es dauert nicht lang, bis wir den ersten Trabocco erreichen: eine ins Meer gebaute Hütte auf Pfählen, erreichbar über eine schmale gewundene Brücke. An der dem offenen Meer zugewandten Seite sind lange Stangen befestigt, die ein wenig wie dürre Arme aussehen. An ihnen brachten Fischer früher grosse rechteckige Netze an, die sie ins Meer liessen. Es war eine gute Methode, um vorbeischwimmende Fische zu fangen. Und die Fischer mussten sich nicht mehr bei widrigen Bedingungen aufs Meer hinauswagen. Gerade die starken Stürme aus dem Osten waren gefürchtet. Manche der Fischfanggalgen, wie sie im Deutschen genannt werden, sind noch in Benutzung. In anderen Trabocchi befinden sich Restaurants. Ausser an der Costa dei Trabocchi sind noch einige in der Region Molise und in Apulien zu finden.
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Mehr erfahrenDer Anblick dieser hölzernen Spinne im Wasser fasziniert. Wir und auch andere zücken die Handys, um den Trabocco aus allen möglichen Blickwinkeln zu fotografieren. Einige Minuten später stossen wir in der Gemeinde San Vito Chietino auf ein besonders hübsches Exemplar. Auf der rechten Seite des Trabocco Punta Fornace liegen auf einem hölzernen Gestell blau-weisse Kähne neben schwarzen Fendern und roten Bojen. Zwei Bullaugen lassen das Häuschen wie ein Gesicht aussehen. San Vito Chietino soll eine sehr hübsche Altstadt haben und ist einen Abstecher wert, doch wir müssen weiter. In den Abruzzen steht einiges auf dem Programm.Noch ist es auf der Meeresseite der Via Verde ruhig. Im Sommer aber tummeln sich Sonnenhungrige an den öffentlichen Stränden oder mieten sich in den Bagni Liegen und Schirme. Ab und zu fahren wir an verlassenen Bahnwärterhäuschen vorbei. Zwischen den bröckelnden Mauern hat sich die Natur längst wieder ihren Platz erobert. An einer besonders schönen Stelle der Via Verde hat eines dieser kleinen, kompakten Gebäude neue Besitzer gefunden. Es wirkt gepflegt, und draussen flattert Wäsche im Wind. Immer wieder strecken kleine Echsen ihre schmalen Köpfe aus dem Gebüsch, um angesichts der Velofahrer gleich wieder im üppig wuchernden Grün zu verschwinden. Zu unserer Linken folgt ein Trabocco auf den nächsten. Manche sind gross, andere sehr einfach, bei wenigen hängen die riesigen Netze an den Stangen und bewegen sich im leichten Wind. Besonders bekannt ist der filigran wirkende Trabocco Turchino. Er wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet und vom Schriftsteller Gabriele d’Annunzio in einem Roman verewigt, in dem er ihn als «seltsame Fischmaschine» beschrieb. Nachdem er 2014 eingestürzt war, liess ihn die Gemeinde San Vito Chietino mithilfe von Gönnern wieder aufbauen. Heute dient er als Museum, in dem am Wochenende in Führungen erklärt wird, wie die Traboccanti arbeiteten. Wir kommen bis Vallevò, wo in der Gelateria LeVerì herrliche Glace locken würde. Wir könnten noch viel weiter fahren, denn die insgesamt 42 Kilometer lange Via Verde führt bis nach Vasto mit seinem reizvollen, auf einem Plateau gelegenen historischen Zentrum. Doch wir müssen zurück. Im Restaurant Gli Ostinati werden wir zum Mittagessen erwartet.
Unter uns schlägt das Wasser gegen die Pfähle. Weisse Tischsets liegen auf den einfachen Holztischen, und in einer Glasvase stehen zarte Blümchen. Der heftiger gewordene Wind kann uns nichts anhaben. Eine durchsichtige Plane schützt den Gastraum des Trabocco Mucchiola vor Kälte und Nässe. Wir nippen an einem feinen regionalen Rosé, während Gianluca Di Bucchianico, Koch und auch Besitzer des Gli Ostinati, und sein Kellner Vincenzo Pugliese das Essen servieren. Den Auftakt macht ein Crostino mit Fischragout, gefolgt von einem Zahnbrassen-Carpaccio. Weiter gibt es ein Kartoffelgratin mit Tintenfisch an grüner Sauce und Pasta mit Krabbenfleisch, Kichererbsen und grünem Spargel. Gut, dass die Portionen klein sind. Es wäre schade, auch nur einen der köstlichen Gänge auszulassen, nur weil der Appetit schon gestillt ist.
Irgendwann ist es Zeit, wieder Richtung Ortona zu fahren, um die Mietvelos abzugeben. Anfänglich fällt es etwas schwer, mit vollem Magen gegen den heftigen Gegenwind anzutreten. Erneut ziehen die Fischmaschinen an uns vorbei, und die Versuchung ist gross, sie wieder zu fotografieren. Doch das müssen wir auf unbestimmte Zeit verschieben, bis wir wieder einmal an die Costa dei Trabocchi kommen.
Das Spezial war möglich dank Einladung des Hotels Marina Gardens Boutique & Suites.
Der Majella-Nationalpark ist ein wunderbares Stück Wildnis mit eindrücklichen Tälern und dichten Wäldern, in denen Wölfe und Bären leben. Man kann ihn erwandern und im Winter dort auch Ski fahren.
Wanderguide Andrea Tomassetti erwartet uns bereits oberhalb des Dorfes Pennapiedimonte, auf 780 Meter über Meer. Er kennt den Majella-Nationalpark, der nach dem gleichnamigen Bergmassiv benannt wurde und dessen mit 2793 Metern grösste Erhebung der Monte Amaro ist, bestens. In der Hauptsaison zeigt er Gästen aus dem In- und Ausland dort mehrmals pro Woche die Highlights. Ausserdem hilft er Archäologen dabei, Höhlen zu finden, in denen noch Zeichnungen aus der Zeit der Neandertaler erhalten sind. Dafür ist der Majella-Nationalpark bekannt wie auch für Höhlen, in denen vor Jahrhunderten Eremiten lebten. Es gibt sogar einen Wanderweg, den 79 Kilometer langen Sentiero dello Spirito, der zu den schönsten noch erhaltenen Einsiedeleien im Park führt.
Wir aber wollen zum 1123 Meter über Meer gelegenen Aussichtspunkt Balzolo. Anfangs hören wir noch das leise Rauschen des Flusses Avello, während wir über Steine und felsigen Grund gleich steil nach oben steigen. Andrea hat die Strecke gut gewählt. Der Blick in die Weiten des knapp 75 000 Hektar grossen Nationalparks begeistert von Anfang an. Wir erfahren, dass die Tierwelt mit Hirschen, Steinadlern, Gämsen, Brillensalamandern oder Fischottern sehr reich ist. «Man schätzt, dass zwischen 55 und 75 Braunbären ebenfalls hier leben. Manche von ihnen wagen sich bis an die eine Autostunde entfernte Küste vor», sagt unser Wanderführer. Ausserdem gebe es wieder viele Wildschweine in dem 1991 eingerichteten Nationalpark. Sie mussten vor Jahren aus Bulgarien hierher gebracht werden, da die einheimischen Wildschweine von den Jägern so gut wie ausgerottet worden waren. Die Schweine wiederum seien willkommenes Futter für die etwa hundert Wölfe, die im Majella-Nationalpark nicht gejagt werden dürfen.
Immer wieder hält Andrea an, um uns auch ein wenig die Flora zu erklären. «Im Park wachsen vor allem Wacholder, Schwarzkiefern, Föhren, Buchen, dreierlei Arten von Ahorn sowie drei verschiedene Arten von Eichen: zum Beispiel die Flaumeichen. Dass die Roverella, wie sie auf Italienisch heisst, heute so weit oben gedeiht, hat mit der Klimaerwärmung zu tun», sagt der 49-Jährige. Ende April müssten im Majella-Nationalpark eigentlich auch die Orchideen blühen. Doch leider hat sie ein aussergewöhnlicher Kälteeinbruch dahingerafft. Mit 2114 nachgewiesenen Arten ist dieser Ort ein Fest für alle Pflanzenliebhaber. Als wir an einer Ruine vorbeikommen, sagt Andrea, dass das Majella-Bergmassiv überwiegend aus Kalkstein besteht, der sich leicht bearbeiten lässt. Früher bauten Bauern und Hirten daraus runde Schutzhütten, ähnlich wie die Trulli in Apulien. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs verliessen viele die Region oder wandten sich von der Landwirtschaft ab. Die Hütten verfielen, übrig blieben Steinhaufen vielerorts.
Während wir weiter nach oben klettern und trotz des eher kühlen Apriltages ins Schwitzen kommen, erzählt unser Wanderguide von einer Zeit, in der die Abruzzen wesentlich bedeutender und reicher waren als heute. «Noch im 18. Jahrhundert gab es hier mit fünf Millionen Tieren mehr Schafe als Menschen. Ihre Wolle war sehr begehrt, wurde als ‹weisses Gold› bezeichnet. Damals verdienten die Schäfer gut, waren belesen und schrieben sogar Gedichte, da sie so viel Zeit hatten.» Zwar lassen noch immer Bauern Schafe im Majella-Nationalpark weiden, doch wichtig sind sie heute nicht mehr. «Sie liefern allenfalls noch die Milch für den Pecorino. Die bei uns so beliebten Arrosticini bestehen aber meist aus importiertem Schaffleisch», klärt uns Andrea auf.
Schliesslich erreichen wir unser Ziel, den Balzolo, der noch zur Gemeinde Pennapiedimonte gehört. Er wird gern als Balkon der Abruzzen bezeichnet, was nicht übertrieben ist. Die Sicht über sanfte, bewaldete Hügel, über einen See bis hin zur Küste ist fantastisch. Wir sind zufrieden, und Andrea ist es auch, der sagt, dass er jeden Arbeitstag wie Ferien empfindet. Der 49-Jährige aus Pescara war in einem ersten Leben sehr erfolgreich als Programmierer. Doch nach einer Zäsur in seinem Leben entschloss er sich, den Platz am Computer aufzugeben und eine Ausbildung zum Wanderführer zu machen. Seitdem zeigt er beinahe jeden Tag Interessierten die Schönheiten im Majella- wie auch im Gran-Sasso-Nationalpark.
parcomajella.it, Wanderguide Andrea Tomassetti: andrea@ursamaiorescursioni.it
Text: Juliane Lutz
Fotos: Emanuel Freudiger
Reise-Check
Anreise:
Mit dem Auto über Bologna und dann der Adria entlang bis nach Pescara dauert nur die Fahrt zum Beispiel ab Zürich gute neun Stunden. Wer die direkteste Zugverbindung von Zürich oder Bern aus via Mailand und Bologna wählt, reist in rund neun Stunden nach Pescara. Am schnellsten mit etwa sechs Stunden ist es, nach Rom zu fliegen und von dort den Bus nach Pescara zu nehmen.
Wohnen:
Das Hotel Marina Gardens Boutique & Suites im Badeort Francavilla al Mare bei Pescara ist die ideale Basis, um die Abruzzen zu erkunden. Managerin Martina, Allroundtalent Ceca und das Team sind sehr um das Wohl ihrer Gäste bemüht. Das Frühstück ist opulent, die Einrichtung schick, und zum Meer sind es nur wenige Minuten zu Fuss. Schöne Orte wie Chieti, Sulmona, Scanno und L’Aquila sind in einer halben bis maximal eineinhalb Stunden erreicht. Der Majella-Nationalpark ist eine knappe Autostunde entfernt.
marina-gardens-boutique.com
Essen:
Il Ristoro degli Elfi, Santo Steffano di Sessanio: urchig, gute Hausmannskost.
Das Restaurant des Relais Tema, Francavilla al Mare: grossartige Küche, elegantes Ambiente. Die Weinbibliothek ist einen Blick wert.
Pizzeria da Fasano, Ripa Teatino: aussergewöhnlich belegte Pizzen.
Naked Beach, Francavilla al Mare: Beachclub mit sehr gutem Fischrestaurant; feine Pizzen gibt’s auch.
Manzetto Rosso, Francavilla al Mare: für Karnivoren.
Mizzica, Francavilla al Mare: verführerische sizilianische Süssigkeiten zum Mitnehmen.
Aktivitäten in der Nähe:
Weingut Feudo Antico, Tollo: bei einer Degustation mit Essen den wunderbaren regionalen Tullum, den preisgekrönten Montepulciano d’Abruzzo und den ebenfalls ausgezeichneten Weisswein Pecorino kennenlernen.
Museo dell’Ottocento, Pescara: sehenswerte, zumeist süditalienische Malerei aus dem 19. Jahrhundert.
abruzzoturismo.it
expedition-abruzzen.de
Zwei weitere Nationalparks
Wo seit 1872 ein königliches Jagdgebiet lag, wurde 1923 der Nationalpark Abruzzen, Latium und Molise errichtet. Er liegt zu drei Vierteln in der Provinz L’Aquila und ist grösstenteils bewaldet. Den überwiegend bergigen, rauen Nationalpark Gran Sasso im Norden gibt es seit 1991. Mit dem Corno Grande (2912 m) weist er den höchsten Gipfel des Apennin auf.
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