Das zeigt sich auch auf dem TCS-Camping in Morges.
Der Tag auf dem TCS-Campingplatz in Morges (VD) scheint ruhig zu werden. Das launische Aprilwetter hat spontane Camper abgeschreckt. Die Saisongäste indes sind treu zur Stelle. Und hinter den Kulissen ist das Team des Drei-Sterne-Campings bereits an der Arbeit, um seine Gäste auf den 199 verfügbaren Stellplätzen zu empfangen. Die Saison hat am 1. April begonnen und endet am 22. Oktober. Die Putzfrauen beenden gerade ihren zweiten Rundgang des Tages. Ihren Reinigungswagen vor sich her schiebend, füllen sie die Handtuchspender und das Toilettenpapier auf. Sauberkeit ist schliesslich eine Grundvoraussetzung für einen angenehmen Aufenthalt.
Campingplatzleiter Charles-Édouard Girard seinerseits geht gemeinsam mit der Rezeptionistin Laura Tuerke die Planung der Ankünfte durch. «Wir müssen bereit sein und so weit wie möglich vorausplanen, denn oft erleben wir gegen vierzehn Uhr einen Peak der Ankünfte. Die Camper sind manchmal müde von der Reise und möchten die Aufnahmeformalitäten rasch erledigen», erklärt er. Das 33-jährige Multitalent aus La Rochelle in Frankreich hat 2021 die Leitung der Anlage übernommen, nachdem er mehrere Jahre auf einem Campingplatz in Québec gearbeitet hatte. Im Moment geht er die Wege entlang, um den Zustand des Geländes zu überprüfen, da es in den letzten Tagen geregnet hat. Die Bodenfeuchte ist in der Tat der grösste Feind der Wohnwagen- oder Wohnmobilbesitzer. Die Räder können einsinken, und manchmal bleiben die Fahrzeuge stecken, was den Rasen beschädigt. Daher ermuntert er seine Gäste, auf der Strasse statt auf dem Gras zu parkieren. Dieses wahre Parkplatz-Tetris hat auch den Vorteil, dass den Campern mehr Grünfläche zur Verfügung steht. «Wenn sich jeder an die Linien hält, bleibt den Fahrzeugen genug Platz zum Durchfahren», stellt Charles-Édouard Girard fest. Ganz in der Nähe reinigt Raphael Fivaz, der technische Leiter, die Wege mit dem Kärcher. Danach wird er sich ans Heckenschneiden machen.
Der ideal am Genfersee gelegene Waadtländer Campingplatz hat 2022 sein Angebot mit einem Vintage Village ergänzt, das in den nächsten Jahren noch weiter ausgebaut werden soll. Diese originelle Form des Glampings ermöglicht es Feriengästen, einen von drei geschmackvoll renovierten und neu eingerichteten Oldtimerwohnwagen zu mieten. Ideal für Neulinge, um die Freuden des Campings zu entdecken, ohne in eine teure Ausrüstung investieren zu müssen. Auch ist es nicht immer einfach, ausserhalb der Saison einen Abstellplatz für sein Wohnmobil oder seinen Wohnwagen finden, was von einer solchen Investition abhalten kann. Glamping, das die Freiheit des Campings, das Leben im Freien und den Komfort in sich vereint, ist im Aufwind und lockt immer mehr Neugierige an, wie der Leiter versichert: «In der letzten Saison ist in Morges die Nachfrage nach solchen Unterkünften explodiert. Und es liegen auch schon zahlreiche Buchungen für diese Saison vor.»
Auf seiner täglichen Runde begegnet Charles-Édouard Girard alsdann zwei Stammgästen: Béatrice und ihr Mann Daniel treffen auf ihrem Stellplatz ein, vollbepackt mit diversem Material, um die Einrichtung ihrer Unterkunft abzuschliessen. Glücklich, wieder auf ihrem Saisonplatz zu sein, begrüssen sie den Verwalter mit einem breiten Lächeln. Man erkundigt sich nach dem Befinden und will wissen, wie der Winter war. Auch das ist Camping: «Familiengeist», wie Béatrice Buache es nennt, die seit 25 Jahren auf den TCS-Campingplatz kommt. Das pensionierte Ehepaar wohnt im Stadtzentrum von Morges, nicht weit entfernt. Doch da sie weder Terrasse noch Garten haben, schätzen sie die einmalige Lage des Campings mit dem See als Kulisse und dem Schwimmbad ganz in der Nähe.
Familie Buache entdeckte das Camping 1976, zunächst im Zelt. Seither hat sie die Faszination für diese Art der Freizeit nicht mehr losgelassen. «Ich schätze es, nicht auf die Uhr schauen zu müssen. Wir essen, wann wir wollen, im Gegensatz zum Hotel mit seinen festen Essenszeiten. Das Leben auf dem Campingplatz ist spontaner. Man muss nicht Wochen im Voraus planen, um einen Apéro unter Nachbarn zu organisieren», schwärmt Daniel Buache. Er hat auch die Entwicklungen und Veränderungen der Branche in den letzten Jahrzehnten hautnah miterlebt: «Die Wohnmobile werden immer grösser und ihre Ausstattung ständig besser. Es gibt Wohnmobile, die bis zu neun oder gar zehn Meter messen», so Daniel Buache. Oliver Grützner, Leiter Tourismus & Freizeit beim Touring Club Schweiz, bestätigt diesen Trend: «Der Komfort beim Camping hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Die Auswahl an Fahrzeugen ist stark gestiegen, und es gibt zahlreiche technische Verbesserungen.»
Elektrofahrzeuge, autonome Wohnmobile, Sonnenkollektoren oder Bodenheizung fördern die Beliebtheit des Campens. Man muss kein gewiefter Heimwerker mehr sein oder einen Hang zum Abenteuer haben, um die Aufenthalte im Freien und im Herzen der Natur zu geniessen. Allein im Jahr 2022 wurden in Europa über 200 000 neue Wohnmobile zugelassen. Die Pandemie hat die Begeisterung befeuert und so eine neue Kundschaft geschaffen. Und auch die Schweizer lassen sich dieses Vergnügen nicht entgehen. Laut Bundesamt für Statistik verzeichneten die Schweizer Campingplätze im Jahr 2019 mehr als 2,5 Millionen Übernachtungen von Schweizern. Diese Zahl schnellte im Jahr darauf auf 3,4 Millionen empor und kletterte 2021 mit über 4,3 Millionen Logiernächten auf einen neuen Rekordwert. Die vorläufige Bilanz für das Jahr 2022 zeigt zwar einen leichten Rückgang gegenüber 2021, doch die Werte liegen immer noch über jenen von 2019. Der Trend widerspiegelt sich auch auf dem TCS-Campingplatz in Morges, der mit 29 000 Übernachtungen eine hervorragende Saison 2022 erlebte.
Ein alter, in der Schweiz zugelassener Wohnwagen, der sich langsam der Rezeption nähert, sticht uns ins Auge. Am Steuer: André Bircher, kein anderer als der Enkel des bekannten Arztes und Diätberaters Maximilian, dem wir das berühmte Müeslirezept verdanken. Für einige Tage auf der Durchreise schätzt er den Campingplatz in Morges besonders: «Ich komme regelmässig mit meinem Sohn Peter hierhin, denn es ist ruhig, sauber und sehr gut gelegen.»
Etwas weiter weg hat sich ein junges Paar mit einer moderneren Ausstattung einquartiert und geniesst, auf Klappstühlen sitzend, die Sicht auf den See. Mit ihrem Van und Dachzelt gehören die beiden zu einer neuen, vor einigen Jahren aufgekommenen Gästegattung. «Wir beobachten eine Verjüngung der Kundschaft. Vor allem junge Paare und Familien haben das Campen mit einem gemieteten oder gekauften Van für sich entdeckt», so Charles-Édouard Girard.
Die Mode des mobilen Campens, das sogenannte Vanlife, hat natürlich viel damit zu tun. Der auf Instagram tausendfach geteilte und in zahlreichen Blogs zitierte Trend fesselt weiterhin alle, die dem Alltag entfliehen wollen und Roadtrips mögen. Zudem führte die Verbreitung
des Homeoffice während der Pandemie dazu, dass die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit verschwamm und das Arbeiten im Mobilheim ermöglichte. Gleiches beobachtet Auto-Schweiz. Mediensprecher Christoph Wolnik nennt uns die beliebtesten Fahrzeuge: «Die beiden Van-Modelle VW California und Mercedes-Benz Marco Polo sind derzeit Marktführer.» Allerdings weist er darauf hin, dass der Verkauf neuer Wohnmobile im ersten Quartal 2023 um 21 Prozent gesunken ist. Dennoch verharren sie auf hohem Niveau.
Béatrice Buache macht sich in ihrem Gärtchen vor dem Stellplatz zu schaffen. Sie hat ihr Reich mit Tulpen in leuchtenden Farben und Osterglocken verschönert. Stolz zeigt uns ihr Mann seine neueste Konstruktion. Er hat auf dem Boden fussförmige Pflastersteine verlegt, damit die Schuhe bei schlechtem Wetter nicht schmutzig werden. Auf dem Tisch verbreitet eine Duftkerze ihren Wohlgeruch. Die Dekoration hat übrigens bei vielen Campern Einzug gehalten, jeder verleiht der Inneneinrichtung seinen persönlichen Touch. Auch die Vans sind zu koketten Kokons mit durch-
dachtem und individuellem Design geworden. «Die Leute wollen ihren eigenen Stil und weniger konventionell leben. Es besteht ein Trend zu Individualität mit einer Nachfrage nach mehr Raum beim Campen, was für mehr Privatsphäre sorgt», merkt Oliver Grützner vom TCS an.
Camping hat sein spiessiges Image definitiv verloren. Es ist vielfältig, und jeder gestaltet es nach seinem Gusto, sei dies die Suche nach Einfachheit, nach der Natur, nach Abschalten, Freiheit oder um an einem inspirierenden Ort zu arbeiten. À la carte, sozusagen.
Text: Pascale Stehlin
Fotos: Olivier Vogelsang
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