Oben, am Monte Capanne war es kalt, Nebelschwaden strichen um die Granitfelsen, und ein kalter Wind wehte über den Pass. Knapp 900 Meter tiefer unten, kurz vor Pomonte ist wieder T-Shirt-Wetter. Der Ginster blüht, Schmetterlinge flattern auf der Suche nach Nektar umher, und die Gemütslage ist euphorisch. Der dritte und letzte Tag auf der Inselquerung Grande Traversata Elbana (GTE) neigt sich dem Ende zu. Auf den letzten Metern ist es an der Zeit, die Route Revue passieren zu lassen. Wir starten die grosse Traversierung im Osten Elbas Richtung Westen beim Spiaggia di Cavo. Der lockt zum Baden, doch die Frühlingssonne hat noch nicht genug Kraft, und das Meer ist kalt. Hinter dem Dorf Cavo steigt der Weg unter Bäumen gleichmässig an, und nach knapp einer halben Stunde wartet etwas Überraschendes: das fünfzehn Meter hohe Grabmal der Familie Tonietti. Ein imposantes, aber leeres Mausoleum steht einsam im Wald und zerfällt langsam. Zurück auf dem rot-weiss-rot markierten Weg erklärt Michele Cervellino eine der vielen Informationstafeln auf der GTE. Ihm liegt der Wanderweg am Herzen, und er ist er im Auftrag der Nationalparkverwaltung für die Markierungen zuständig. Sich auf Elba zu verlaufen,
ist dank Michele beinahe unmöglich.
Durch die für die Insel charakeristische Macchia aus Erdbeerbäumen, Steineichen oder Baumheiden geht es nun stetig hoch, vorbei am Monte Lentisco in Richtung Monte Grosso. Nicht nur wegen der angenehmen Temperaturen, sondern auch der blühenden Vegetation wegen ist Wandern auf Elba im Frühling reizvoll. Dabei sind die Düfte von Rosmarin, Lavendel, Salbei oder Thymian ständige Begleiter. Am Gipfel angekommen, liegt Portoferraio zu Füssen, und bei klarer Sicht kann man sogar in der Ferne Korsika erkennen. Eine längere Pause liegt aber angesichts der noch zu bewältigenden Strecke bis Porto Azzurro nicht drin. Nach einem knackigen Abstieg führt der Pfad immer dem Kamm entlang. Rechts die Bucht von Portoferraio, links das Bergdorf Rio nell’Elba. Es zieht sich dahin, und auf dem Grat zum Cima del Monte taucht die markante Ruine des Castello del Volterraio auf. Es gibt immer etwas zu sehen, seien es vom Wind gebeutelte Pinien oder verwitterte Felsformationen. Kurz vor dem Monte Castello verlassen wir die GTE und biegen auf die Route 205 Richtung Porto Azzurro ab. Wegen Absturzgefahr ist dieser Abschnitt teilweise mit Ketten und Fixseilen gesichert. Es geht steil hinunter. Wir passieren die romantische Kirche Madonna di Monserrato und erreichen kurz darauf den Talboden. Bis in den Dorfkern von Porto Azzurro ist es dann nur noch ein Katzensprung.
Da es oben auf den höchsten Punkten der Wanderung keine Übernachtungsmöglichkeiten gibt, muss am Ende der Etappen in einen grösseren Ort ab- und am Folgetag wieder aufgestiegen werden. Biwakieren ist nicht gerne gesehen, da die Route mehrheitlich im Nationalpark verläuft. Wir hatten das Basislager für die Tour in einem Bungalow auf dem Camping Valle Santa Maria in Lacona eingerichtet. Von hier aus kann mit dem Taxi an die Ausgangsorte gefahren werden.
Am zweiten Tag steigen wir oberhalb von Porto Azzurro in die zweite Etappe ein. Nach einem kurzen Anstieg geht es auf einem Feldweg hinunter bis zur Casa Marchetti dann um den Monte Orello herum bis zur einzigen Wasserquelle auf dem gesamten GTE, dem Fonte Schiumoli. Durch einen dichten Wald erreichen wir den Colle Reciso. Die Ruinen der alten Windmühlen Poggio del Mulino a Vento eignen sich bestens für einen Mittagsrast. Etwas eintönig verläuft der Weg leicht ansteigend durch Wälder bis unterhalb des Monte San Martino. Konzentration, Trittsicherheit und ein gutes Gleichgewicht fordert der stark ausgewaschene Weg hinunter zum Colle di Procchio. Inzwischen ist es warm geworden, und die Frühlingssonne brennt unbarmherzig auf die Bergflanken des Monte Castello. Die letzten Kilometer der zweiten Etappe hinauf zum Colle Reciso und dann quer bis nach Sant’Ilario in Campo zehren etwas an den Kräften. Dafür schmeckt das Eis in der kleinen Gartenbar des Bergdorfes umso besser.
Mit dem Aufstieg auf den Monte Perone startet die landschaftlich schöne dritte Etappe. Von Sant’Ilario in Campo windet sich der mit Ginster gesäumte Weg über 400 Höhenmeter hinauf. Dicker Nebel hängt im Pinienwald auf dem Gipfelgrat, der kühle Maestrale weht aus Nordwest, und man könnte meinen, irgendwo in den Voralpen zu sein. Der Pfad führt der Krete entlang, immer wieder tauchen aus dem Nebel bizarre Felsformationen auf, als würden Trolle ihre Aufwartung machen. Nach der Durchquerung eines Geröllfeldes folgt der Aufstieg auf den höchsten Punkt der ganzen Route. Der 839 Meter hohe Pass liegt direkt unter dem Monte Capanne. Nun folgt der lange Abstieg auf der Südroute hinunter ans Ziel in Pomonte. Ab und zu lichtet sich der Nebel, und man kann in der Ferne das Meer glitzern sehen. Alte Caprili deuten darauf hin, dass hier Ziegenhirten hausten. Diese igluförmigen Steinhäuser dienten ihnen als Unterschlupf. Granit in Form von schroffen Pfeilern oder Plattenpanzern ist hier allgegenwärtig. Schon die Römer wussten davon, bauten ihn ab und nutzten ihn als Baustoff für Tempel und Villen. Kurz vor Pomonte durchquert der Pfad zahlreiche Terrassen, die nach und nach wieder für den Anbau von Gemüse aktiviert werden. Dann ist die Grande Traversata Elbana nach rund 25 Stunden leider schon geschafft. Diese Weitwanderung über all die Kreten und Gipfel, die Abwechslung zwischen schroffen und sanften Landschaften, all die Pflanzendüfte und unglaublichen Aussichten auf Orte, Küstenabschnitte und das Meer bringt denen, die sich auf diese Wanderung machen, Elba in seiner Schönheit definitiv ein Stück näher. Übrigens hat Trailrunner Matteo Anselmi am 30. Dezember 2023 die GTE in nur vier Stunden und fünfzig Minuten geschafft!
Reportage: Felix Maurhofer
Karte Keystone
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Etappen GTE:
1: Cavo–Monte Grosso–Strega–Monte Capannello–Le Panche–Porto Azzurro; 21 km; Auf- und Abstieg: 1200 hm; Zeit: 8h30.
2: Porto Azzurro–Colle Reciso–Colle di Procchio–Sant’Ilario in Campo; 24 km; Aufstieg: 890 hm; Abstieg: 770 hm; Zeit: 8 h.
3: Sant’Ilario in Campo–Monte Perone–Monte Cenno–Monte Orlano–Pomonte; 13 km; Aufstieg: 803 hm; Abstieg: 965 hm; Zeit: 7h30.
Reise-Check
Anreise:
Mit dem Auto oder Zug bis nach Piombino, dann mit der Fähre nach Portoferraio. Fähren sollten in der Hochsaison reserviert werden. Nächstgelegene Flughäfen sind Pisa oder Florenz. Von dort mit dem Zug nach Piombino.
Ausrüstung:
Gute Wanderschuhe, Tagesrucksack (30 l), Regen- und Windschutzjacke, Ersatzkleider, Sonnenschutz (Brille, Hut, Creme).
Orientierung: App «Avenza Maps» und Gratisdownload der Karte «Isola d’Elba – Carta ufficiale del Parco – 4LAND 2022».
Notruf: 112.
Übernachten:
Mobilehomes oder Wohnungen auf dem Campingplatz Valle Santa Maria, vsmaria.it.
Essen:
In Capoliveri: losteria-dei-quattrorioni.business.site; in Campo
nell’Elba: diecilire.it; in Marina
di Campo: cantinaelbana.it.
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