Kürzlich gaben Sie bekannt, dass wir künftig zu gewissen Zeiten auf den Autobahnen wohl nur noch mit 80 km/h unterwegs sein werden. Warum wird dieser Schritt nötig sein?
Jürg Röthlisberger: Das wird notwendig, weil uns langsam die Instrumente ausgehen. Wir haben heute rund 40 000 Staustunden auf unseren Autobahnen, Tendenz steigend, und das seit Jahren. Natürlich ist der Ausbau ein ganz wesentlicher Punkt, aber Beton und Asphalt alleine reichen nicht. Wir müssen auch effizienter nutzen, was wir haben. Hierbei hat sich das Instrument des Verkehrsmanagements bewährt, und das wollen wir da einsetzen, wo es sein muss. Denn durch die vielen Staustunden leiden auch die Gemeinden entlang der Autobahnen unter dem Ausweichverkehr. Auf mittlere und längere Sicht kann auch das automatisierte Fahren etwas bringen, aber kurzfristig haben wir nur wenig Instrumente gegen den Stau, und wir wissen natürlich auch, dass unsere verfügbaren Mittel ziemlich limitiert sind in ihrer Wirkung.
Und langfristig: Wie können Staus da bekämpft werden?
Da braucht es dringend einen punktuellen Ausbau. Der Sechs-Streifen-Ausbau zwischen Luterbach und Härkingen ist nun baureif. Der Abschnitt ist ein absoluter Stauschwerpunkt. Was ein punktueller Ausbau bringt, hat der Ausbau zwischen Härkingen und Wiggertal gezeigt. Mit Ausbauprojekten senken wir die Staustunden, und auch der Ausweichverkehr verschwindet aus den Dörfern, was ja auch der Zweck von Autobahnen ist. Ein weiteres positives Beispiel ist der Gubristausbau in Richtung Bern. Auch da hat sich die Situation für die Gemeinden massiv verbessert.
Der Autobahnausbau ist also notwendig?
Absolut, und dies aus drei Gründen: Einerseits wollen wir, dass der Ausweichverkehr nicht mehr stattfindet, der nicht nur für die Gemeinden lästig, sondern auch gefährlich ist. Und dies führt zum zweiten Grund, der Sicherheit. Die Gemeinden entlang der Autobahnen leiden vor allem darunter, dass der Ausweichverkehr die Schulwege und den öffentlichen Verkehr auf der Strasse konkurrenziert. Rund ein Drittel des ÖV findet auf den Strassen statt. Und der dritte Grund für punktuelle Ausbauten ist für uns im Astra sehr wesentlich. Als Netzbetreiber sind wir darauf angewiesen, Infrastrukturen unterhalten zu können. Deshalb braucht es Redundanzen.
Der Unterhalt findet ja oft in der Nacht statt.
Im Mittelland und um die grossen Zentren herum führen wir die Unterhaltsarbeiten grossmehrheitlich in der Nacht durch, was sich sehr bewährt hat. Doch die Nachtarbeiten stossen jetzt an ihre Grenzen. Die Nachtfenster werden durch den zunehmenden Verkehr immer kleiner. Heute haben wir zwischen Genf und Bodensee etwa ein Fenster von fünf bis sieben Stunden Nettoarbeitszeit, und diese Arbeitsfenster nehmen pro Jahr um etwa fünfzehn Minuten ab. Das und auch strengere Lärmgrenzen führen dazu, dass Arbeiten in der Nacht sehr teuer sind und bisweilen gar nicht ausgeführt werden können. Hinzu kommt nun noch ein neues Hindernis. Die Unternehmen bekunden zunehmend Mühe, Kadermitarbeiter zu finden, die bereit sind, in der Nacht zu arbeiten. Diese Entwicklungen haben dann auch etwa zur Erfindung der Astra-Bridge geführt (siehe Seite 28).
Trotzdem dürfte wohl das Referendum gegen die sechs Projekte des Ausbauschritts 2023 ergriffen werden. Was bedeutet das für diese Projekte?
Mit dem eindrücklichen Ja bei der NAF-Abstimmung 2017 und damit auch zum Portfolio der Ausbauprojekte, die nun eines nach dem anderen umgesetzt werden, sowie der Zustimmung des konkreten Ausbauschritts 2023 durch den Bundesrat und das Parlament ist die demokratische Legitimation der Projekte absolut gegeben. Für uns bedeutet dies, dass die Projekte, die nun in der Pipeline sind, weitergeplant werden. Ein Volksnein wäre eine Zäsur und hätte einen sehr starken Einfluss auf die Projekte. Aber bis es so weit ist, haben wir den Auftrag weiterzufahren.
Oft hört man, dass Investitionen in Strassen keine zukunftsorientierte Politik sei …
Diese Sichtweise ist, ehrlich gesagt, rückwärtsgewandt. Zwei der Megatrends unserer Zeit – die Digitalisierung/Automatisierung und die Dekarbonisierung/Elektrifizierung – betreffen die Mobilität und vor allem deren Verträglichkeit und Sicherheit. Diese Megatrends entfalten sich im Moment mit grosser Wucht. Und daraus entwickeln sich auch neue Mobilitätsformen. Alle diese neuen Formen der Mobilität und auch die neuen Fahrzeuge haben Potenzial. In diesem Umfeld lautet die Frage, ob wir immer noch im Schwarz-Weiss-Denken verharren wollen, das den Verkehr in gut und schlecht unterteilt? Das ist nicht unsere Sichtweise, wir wollen uns der neuen Buntheit öffnen und nicht in alte Denkfallen tappen.
«Wasser, Strasse und Schiene sind Verkehrsträger,
und denen ist es ziemlich egal, was darauf fährt.»
Von welchen Denkfallen sprechen Sie?
Zum Beispiel, dass wir Strassen planen, die auf den Verkehr von heute ausgerichtet sind. Das ist Blödsinn. Wir planen für den Verkehr von morgen! Und der wird um Welten verträglicher und sicherer sein als heute. Ein weiteres Beispiel ist die Vermischung von Verkehrsträger und Mobilitätsform. Wasser, Strasse und Schiene sind Verkehrsträger, und denen ist es ziemlich egal, was darauf fährt. Individual- und Langsamverkehr, ÖV und zukünftig auch Mischformen davon, etwa autonome und automatisierte Kleinbusse, sind Mobilitätsformen, die nicht mehr in gut und schlecht eingeteilt werden können und auf der Strasse verkehren.
Wie weit stehen wir in der Schweiz eigentlich beim automatisierten Fahren?
Da ist die Schweiz weit vorne mit dabei. Das Strassenverkehrsgesetz wurde auf das Potenzial der Automatisierungsstufen 3 und 4 (bedingt automatisiertes und hochautomatisiertes Fahren, Anm. der Red.) angepasst. Das Parlament hat das diesen Frühling genehmigt; die Verordnung über das automatisierte Fahren befindet sich nun in der Vernehmlassung. Wir glauben, dass wir ab Frühling 2025 die Fahrzeugstufen 3 und 4 empfehlen können, damit die Leute auf den Autobahnen etwa zu Spitzenzeiten den Autopiloten nutzen dürfen und sollen.
Text: Dino Nodari
Foto: Emanuel Freudiger
Nachbesserung bei Astra-Bridge
Oben fahren, unten arbeiten: Mit dieser an sich bestechenden Idee wurde die Astra-Bridge 2022 erstmals eingesetzt. Die mobile Hilfsbrücke wurde als Weltneuheit präsentiert, sorgte beim ersten Einsatz aber eher für Unmut bei den Autofahrerinnen und Autofahrern. Insbesondere Lastwagen-
chauffeure monierten, dass die Rampen zu steil seien und nicht mit den signalisierten 60 km/h befahren werden können. Auch der Kanton Solothurn zeigte sich wenig erfreut, denn die Staubildung vor der Brücke sorgte für Ausweichverkehr auf Kantons- und Gemeindestrassen. «Wir haben die Bridge nun mit allen möglichen Fahrzeugen getestet und nachgebessert», erklärt Astra-Chef Jürg Röthlisberger. Bei diesen Nachbesserungen wurden die Rampen verlängert und der Neigungswinkel verbessert. Dies werde es den Lastwagen ermöglichen, die Brücke schneller zu befahren. Im kommenden Frühling soll die mobile Arbeitsbrücke wieder im Einsatz stehen. Voraussichtlich wieder auf der A1 bei Luterbach (SO), jedoch in die entgegengesetzte Richtung.
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